BAG: Interessenausgleich mit in der Insolvenz – keine grob fehlerhafte Sozialauswahl bei Beschränkung der Auswahl auf einen Geschäftsbereichen

Einer vom Insolvenzverwalter wegen beabsichtigter Betriebsteilstilllegung erklärten Kündigung
steht ein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einer Standortsicherungsvereinbarung
vereinbarter Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen nicht entgegen. Die Kündigung
ist auch nicht wegen einer iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO grob fehlerhaften Sozialauswahl
sozial ungerechtfertigt, wenn die Betriebsparteien in einem Interessenausgleich
mit Namensliste die Sozialauswahl auf einen der Geschäftsbereiche beschränkten, weil dort
die Arbeitnehmer anderer Geschäftsbereiche nicht ohne Einarbeitungszeit beschäftigt werden
konnten. Es bleibt offen, ob an diesem Grundsatz für einen Interessenausgleich mit Namensliste
festzuhalten ist, der erst nach der Veröffentlichung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts
vom 8. Oktober 2004 – 8 AZR 391/03 – (AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69
= EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 56), vereinbart wurde; nach dieser Entscheidung hat
auch in der Insolvenz grundsätzlich eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl
zu erfolgen.

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision des Klägers gegen das Berufungsurteil
zurückgewiesen, mit dem dessen Kündigungsschutzklage abgewiesen worden
war. Der Kläger war seit 1998 bei der Insolvenzschuldnerin im Geschäftsbereich „Halbzeug„
als Rohrzieher beschäftigt. Anfang Oktober 2001 schlossen die IG Metall und der Verband
der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen im Einvernehmen mit den Betriebsparteien
eine Vereinbarung zur Standortsicherung, bei der unter teilweisem Lohnverzicht bis
zum 31. Dezember 2004 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen wurden. Mit Beschluss
vom 1. Dezember 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Schuldnerin eröffnet und der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Am
19. Dezember 2002 vereinbarten der Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich,
wonach der Geschäftsbereich „Halbzeug„ stillgelegt werden sollte, während der Geschäftsbereich
„Solutions„ mit einem erheblich reduzierten Personalbestand fortgeführt und
veräußert werden sollte. Bestandteil des Interessenausgleichs war eine Namensliste der zu
kündigenden Arbeitnehmer, die den Namen des Klägers enthielt. Mit Schreiben vom
20. Dezember 2002 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten
Gründen zum 31. Januar 2003. Eine Sozialauswahl wurde nur zwischen den Arbeitnehmern
des Geschäftsbereichs „Solutions„ vorgenommen. Dort hätte der Kläger nur
nach einer Einarbeitungszeit beschäftigt werden können.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. November 2005 – 6 AZR 107/05 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27. Oktober 2004 – 2 Sa 2186/03 –