BAG: Insolvenzrechtliche Einordnung eines tarifvertraglichen Abfindungsanspruchs

Sieht ein Tarifvertrag für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen
die Zahlung einer Abfindung vor, ist der Abfindungsanspruch auch
dann bloße Insolvenzforderung iSv. § 38 InsO, wenn die Kündigung erst nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter erklärt wird.
Der Kläger war seit 1990 bei der Insolvenzschuldnerin als Druckerhelfer beschäftigt. In dem
Tarifvertrag für die Arbeiter der Bundesdruckerei GmbH (TV Arb BDr) war vorgesehen, dass
Arbeiter, die infolge einer Rationalisierungsmaßnahme aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden,
eine Abfindung erhalten, die bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 13 Jahren
das Zehnfache des zuletzt vor dem Ausscheiden zustehenden Lohns beträgt. Nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens sollte der Betrieb der Insolvenzschuldnerin von einem Erwerber
übernommen werden, dessen Konzept vorsah, dass 40 der 80 Arbeitnehmer weiterbeschäftigt
werden sollten. Das Erwerberkonzept wurde in einem Interessenausgleich dargelegt,
der auch eine Namensliste der zu entlassenden Arbeitnehmer enthielt. In dieser war
der Kläger aufgeführt. Der beklagte Insolvenzverwalter kündigte ihm mit Schreiben vom
29. März 2004 zum 30. Juni 2004. Der Kläger verlangte die Zahlung der in ihrer Höhe unstreitigen
Abfindung von 25.916,60 Euro brutto nebst Zinsen. Er hat die Auffassung vertreten,
der tarifvertragliche Abfindungsanspruch sei durch die Kündigung des Beklagten und
damit eine Handlung des Insolvenzverwalters iSd. § 55 InsO begründet worden und unterliege
als Masseschuld nicht der Beschränkung des § 123 InsO. Die Klage blieb in allen Instanzen
erfolglos.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2006 – 6 AZR 364/05 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 28. April 2005 – 5 (8) Sa 1630/04 –
(Parallelverfahren – 6 AZR 347/05 -)