BAG: Insolvenz eines abgespaltenen Unternehmens und Kündigung durch den Insolvenzverwalter wegen Betriebsstilllegung

Die Klägerin war seit 1997 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin als Hilfskraft
im Druckereibereich beschäftigt. Die Schuldnerin wurde im August 2001 zusammen mit
weiteren Unternehmen aus dem ursprünglichen Unternehmen ausgegliedert. Die ursprüngliche
Arbeitgeberin blieb als Holding-Gesellschaft bestehen. Vor der Aufspaltung hatte die
frühere Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen, in der ua.
für die Dauer von zwei Jahren betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen wurden. Der
Betriebsrat blieb in dem nach der Spaltung gebildeten Gemeinschaftsbetrieb der ausgegliederten
Unternehmen im Amt. Am 19. September 2002 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Der Beklagte wurde zum vorläufigen
Insolvenzverwalter bestellt. Unter dem 19. November 2002 hörte die Schuldnerin – durch
den Geschäftsführer und den vorläufigen Insolvenzverwalter – den Betriebsrat zur in Aussicht
genommenen Kündigung aller Arbeitnehmer/-innen wegen Betriebsstilllegung an. Das Insolvenzverfahren
wurde am 28. November 2002 eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter
bestellt. Am selben Tag schlossen der Betriebsrat und der Insolvenzverwalter einen
Interessenausgleich mit Namensliste. Mit Schreiben vom 28. November 2002 kündigte
der Beklagte sämtliche Arbeitsverhältnisse.

Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen. Ihre
Revision blieb erfolglos.

§ 113 Insolvenzordnung (InsO), wonach der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis ohne
Rücksicht auf einen vereinbarten Ausschluss des Rechts auf ordentliche Kündigung mit einer
Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen kann, verdrängt Unkündbarkeitsklauseln
in Betriebsvereinbarungen. Auch § 323 Abs. 1 Umwandlungsgesetz (UmwG), nach dem im
Fall einer Unternehmensspaltung sich die kündigungsrechtliche Stellung der betroffenen
Arbeitnehmer auf Grund der Spaltung für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres
Wirksamwerdens nicht verschlechtert, steht dem nicht entgegen. Bei insolvenzbedingter
Stilllegung des Betriebes des abgespaltenen Unternehmens kann trotz § 323 UmwG wirksam
gekündigt werden.

Wird der zu kündigende Arbeitnehmer in der Namensliste des Interessenausgleichs namentlich
genannt, kann die soziale Auswahl nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit
überprüft werden. Hinsichtlich der Sozialauswahl ist nicht auf die Verhältnisse vor
Wirksamwerden der Spaltung abzustellen. Von einer im abgespaltenen Unternehmen getroffenen
Unternehmerentscheidung werden die Arbeitnehmer in den übrigen Unternehmen
nicht erfasst, wenn im Zeitpunkt der Kündigung kein Gemeinschaftsbetrieb mehr besteht. Es
bedarf dann keiner unternehmensübergreifenden Sozialauswahl.

Soll der Betrieb auf Grund des durch den vorläufigen Insolvenzverwalter erstatteten Gutachtens
stillgelegt werden, reicht es für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats iSv.
§ 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aus, wenn die Anhörung zu der nach der Insolvenzeröffnung
vorgesehenen Kündigung schon durch den Geschäftsführer der Schuldnerin
und den vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgt, sofern dieser auch zum endgültigen Insolvenzverwalter
bestellt wird.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. September 2005 – 6 AZR 526/04 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München vom 21. September 2004 – 11 Sa 26/04 –
Vgl. auch Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 22. September 2005 – 6 AZR 527, 533, 534,
547, 569/04 –