BAG: Gewerkschaftliche Mitgliederwerbung in Betrieben hat Grenzen

Gewerkschaften können in Betrieben auch durch betriebsfremde Beauftragte um Mitglieder
werben. Dies gilt unabhängig davon, ob sie in dem Betrieb bereits Mitglieder haben. Die
Werbung von Mitgliedern ist Teil der durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG grundrechtlich geschützten
Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften. Dazu gehört deren Befugnis selbst zu bestimmen,
welche Personen sie mit der Werbung betrauen, und die Möglichkeit, dort um Mitglieder
zu werben, wo Arbeitnehmer zusammenkommen und als solche angesprochen werden
können. Da insoweit eine gesetzliche Regelung fehlt, müssen die Gerichte aufgrund ihrer
grundrechtlichen Schutzpflicht eine entsprechende Ausgestaltung vornehmen. Danach ist
den Gewerkschaften ein betriebliches Zutrittsrecht zu Werbezwecken einzuräumen. Dieses
besteht allerdings nicht uneingeschränkt. Gegenüber dem Interesse an einer effektiven Mitgliederwerbung
sind die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Belange des Arbeitgebers
und Betriebsinhabers abzuwägen. Dazu gehören dessen Haus- und Eigentumsrecht
sowie insbesondere sein Recht auf einen störungsfreien Betriebsablauf. Sie können dem
gewerkschaftlichen Zutrittsrecht entgegenstehen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts wies – anders als die Vorinstanzen – die Klage
der Industriegewerkschaft Metall ab, die von einem Arbeitgeber verlangte, betriebsfremden
Gewerkschaftsbeauftragten während der Mittagsöffnungszeiten der Betriebskantine zur Mitgliederwerbung
künftig den Zutritt zum Betrieb zu gestatten. Der Antrag erfasst Fallgestaltungen,
in denen dem gewerkschaftlichen Zutrittsrecht berechtigte Interessen des Arbeitgebers
entgegenstehen können.
Umgekehrt hatte auch die Klage des Arbeitgebers keinen Erfolg, mit der dieser die Feststellung
begehrte, die IG-Metall habe kein Recht, in seinen Betrieben durch betriebsfremde Beauftragte
Mitgliederwerbung zu betreiben.

Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 28. Februar 2006 – 1 AZR 460/04 – und – 1 AZR 461/04 –

Hessisches LAG, Urteile vom 1. April 2004 – 11 Sa 1092/03 – und – 11 Sa 1093/03 –