Die Klage einer Gewerkschaft gegen einen Arbeitgeberverband, auf sein Mitglied zur
Beachtung der tarifvertraglichen Vorgaben einzuwirken, bedarf nicht einer vorherigen
rechtskräftigen Entscheidung über den Inhalt der tariflichen Verpflichtung, um deren
Einhaltung es geht. Das gilt jedenfalls dann, wenn in dem Rechtsstreit sowohl über
die Einwirkungsverpflichtung als auch über die ausdrücklich zum Streitgegenstand
erhobene umstrittene Auslegungsfrage entschieden wird.
Die klagende Gewerkschaft hat mit dem beklagten Arbeitgeberverband einen für das
diesem angehörende Luftfahrtsunternehmen geltenden “Tarifvertrag über Wechsel
und Förderung” geschlossen. Dieser regelt für die Cockpitbeschäftigten die Bedingungen
eines Wechsels auf ein anderes Flugzeugmuster. Ausgeschriebene Stellen
für eine Umschulung werden nach der näher geregelten Seniorität der geeigneten
Bewerber vergeben. Einen für vier Flugkapitäne ausgeschriebenen Umschulungskurs
besetzte das Luftfahrtunternehmen darüber hinaus mit einem fünften Flugkapitän,
der nicht über die erforderliche Seniorität verfügte. Diesem sollte eine Position
im Management als Abteilungsleiter übertragen werden, dessen Anforderungsprofil
die Berechtigung für das Flugzeugmuster des betreffenden Kurses verlangt. Die Gewerkschaft
meint, die Senioritätsregelungen würden auch für diesen Fall gelten. Sie
begehrt eine entsprechende Feststellung über die Auslegung des Tarifvertrages und
verlangt von der Beklagten, auf ihr Mitglied einzuwirken, entsprechend zu verfahren.
Die Revision der Gewerkschaft gegen die klageabweisende Entscheidungen der Vorinstanzen
blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die
Einwirkungsklage bedurfte nicht einer vorherigen rechtskräftigen Feststellung über
den Inhalt der tariflichen Regelung. Der Senat hat es in Fortführung seiner Entscheidung
vom 10. Juni 2009 – 4 AZR 77/08 – als ausreichend angesehen, das diese
Frage einen eigenständigen Streitgegenstand bildete. Das Begehren der Gewerkschaft
war jedoch insgesamt unbegründet, da das Luftfahrtunternehmen den Tarifvertrag
nicht verletzt hatte. Das Senioritätsprinzip greift nur bei einem „Wechsel“ auf
ein „Wechselmuster in derselben Funktion“ als Kapitän, Copilot oder Flugingenieur.
Diese Tätigkeiten sollte der fünfte Kapitän, der zudem die Kapazitäten des Umschulungskurses
nicht verkürzte, aber nicht ausüben. Soweit mit seiner Managementaufgabe
fliegerische Tätigkeiten verbunden sind, dienen sie lediglich der Wahrnehmung
seiner Leitungsaufgaben im Management, nicht einer Tätigkeit als planmäßiger Copilot
oder Flugkapitän.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. November 2010 – 4 AZR 118/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 12. November 2008 – 4 Sa
53/08 –