BAG: Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes beim Entgelt – EuGH-Vorlage

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Gerichtshof der Europäischen
Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit von Entgeltregelungen
im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes mit dem Verbot der Altersdiskriminierung
ersucht.
Seit dem 1. Oktober 2005 ersetzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
u.a. im Tarifbereich des Bundes den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Im BAT
war die Grundvergütung nach Lebensaltersstufen bemessen. Alle zwei Jahre
erhielten die Beschäftigten eine höhere Vergütung, bis die Endgrundvergütung
erreicht war. Der TVöD sieht keine Lebensaltersstufen mehr vor. Sein Entgeltsystem
stellt auf Tätigkeit, Berufserfahrung und Leistung ab. Der Aufstieg in den fünf bzw.
sechs Stufen jeder Entgeltgruppe vollzieht sich abhängig von Leistung und
Berufserfahrung. Bei der Überleitung der mehr als 1 Million Angestellten aus dem
BAT in den TVöD wurde jedoch die im alten System erreichte Lebensaltersstufe im
Wege der Besitzstandswahrung voll berücksichtigt. Den Angestellten wurde im
Grundsatz ihr bisheriges Entgelt auch nach ihrer Überleitung in den TVöD weiter
gezahlt. Zum 1. Oktober 2007 wurden die Angestellten ausgehend von diesem
Entgelt endgültig der nächsthöheren Stufe der neuen Entgelttabelle zugeordnet.
Die im Oktober 1962 geborene Klägerin ist seit dem 1. Februar 2004 als
Bauingenieurin bei einer obersten Bundesbehörde beschäftigt. Nach ihrer
Überleitung in den TVöD wurde sie am 1. Oktober 2007 der regulären Stufe 4 der
Entgeltgruppe 11 zugeordnet. Die Klägerin ist der Ansicht, die Lebensaltersstufenregelung
des BAT habe sie wegen ihres Alters diskriminiert. Dies setze sich im
TVöD fort. Ihr müsse deshalb wie älteren Angestellten seit dem 1. Oktober 2007 ein
Entgelt nach der höchstmöglichen Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 gezahlt werden.
Im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV soll nun vom EuGH geklärt
werden, wie der Konflikt zwischen dem primärrechtlich gewährleisteten allgemeinen
Gleichheitssatz und dem ebenfalls primärrechtlich gewährleisteten Recht der
Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen, welches auch deren Tarifautonomie
beinhaltet, zu lösen ist. Konkret geht es darum, ob die auf Lebensaltersstufen
bezogene Grundvergütung des BAT das Verbot der Altersdiskriminierung (jetzt
Art. 21 Abs. 1 GRC) in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG
verletzte, ob sich eine solche Altersdiskriminierung im TVöD fortsetzt und ob und wie eine solche Altersdiskriminierung von den Tarifvertragsparteien gegebenenfalls auch
rückwirkend beseitigt werden könnte.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 6 AZR 319/09 (A) –
Vorinstanz: LAG Köln, Urteil vom 6. Februar 2009 – 8 Sa 1016/08 –

Zu der Frage, ob die im BAT vorgesehene Staffelung der Grundvergütung nach
Lebensaltersstufen das Verbot der Altersdiskriminierung verletzte, hat der Senat
auch in einem Verfahren aus dem Land Berlin, wo der BAT im Wesentlichen noch bis
31. März 2010 Anwendung fand, den EuGH um eine Vorabentscheidung gebeten.
Streitig sind in diesem Verfahren nur Ansprüche aus der Zeit vor Inkrafttreten des
neuen Tarifrechts.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 6 AZR 148/09 (A) –
Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. September 2008 – 20 Sa
2244/07 –

In einem weiteren Verfahren (- 6 AZR 481/09 -) aus dem Land Hessen, wo der BAT
noch bis 31. Dezember 2009 angewendet wurde, hat der Senat entsprechend § 148
ZPO die Verhandlung bis zur Erledigung des das Land Berlin betreffenden
Vorabentscheidungsverfahrens ausgesetzt.