BAG: Betriebsbedingte Kündigung – Berücksichtigung von durch Prozessvergleich zugesagten Betriebszugehörigkeitszeiten bei der Sozialauswahl

Der 42-jährige Kläger war seit 1995 als „Ausbilder im Bereich der Bürokaufleute„ bei dem
beklagten Bildungswerk tätig. Nachdem die Zahl der auszubildenden Bürokaufleute erheblich
gesunken war, beschloss die Beklagte unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte das
Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß zu kündigen und den 55-jährigen Arbeitnehmer A,
der seit dem Jahr 2000 bei ihr beschäftigt war, weiterzubeschäftigen. A war zuvor seit 1990
bei einem anderen Bildungswerk tätig. Im Rahmen eines zwischen A und der Beklagten geführten
Rechtsstreits über die Frage eines Betriebsübergangs hatten die damaligen Streitparteien
einen Vergleich geschlossen, der ua. festlegte, dass die Beklagte dem A eine Betriebszugehörigkeit
seit 1990 anrechnen müsse.

Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage blieb – wie schon in der Vorinstanz – auch
vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung
trotz dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber
bei der Auswahl der Arbeitnehmer die Sozialdaten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt
hat. Dabei kommt keinem der vier sozialen Auswahlkriterien, nämlich der Dauer der
Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter, den Unterhaltspflichten und der Schwerbehinderung,
ein überwiegendes Gewicht zu. Da der Arbeitgeber nur zu einer „ausreichenden„ Sozialauswahl
gesetzlich verpflichtet ist, steht ihm bei der Gewichtung der Auswahlkriterien ein
Wertungsspielraum zu.

Unter Berücksichtigung dieses gesetzlichen Rahmens hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts
im Entscheidungsfall keinen Fehler bei der Sozialauswahl feststellen können.
Es spricht schon vieles dafür, dass die Sozialauswahl auch ohne Berücksichtigung der Vorbeschäftigungszeiten
A´s noch ausreichend ist. Auf Grund des von der Beklagten mit A geschlossenen
Prozessvergleichs ist jedenfalls dessen Vorbeschäftigungszeit bei dem anderen
Arbeitgeber mit zu berücksichtigen, weil für diese Anrechnung ein sachlicher Grund gegeben
und sie nicht willkürlich ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 2. Juni 2005 – 2 AZR 480/04 –

Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 25. August 2004 – 12 (3) Sa 1104/04 –