BAG: Berücksichtigung von Berufserfahrung bei Stufenzuordnung im TV-L

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) sieht
eine Vergütung nach Entgeltgruppen und innerhalb der Entgeltgruppen nach fünf bzw. sechs
Stufen vor. § 16 TV-L enthält eine differenzierte Regelung, inwieweit Beschäftigungszeiten,
die in einem früheren Arbeitsverhältnis zurückgelegt worden sind, bei der Stufenzuordnung
Berücksichtigung finden. Zeiten einschlägiger Berufserfahrung aus einem vorherigen, nicht
länger als sechs Monate zurückliegenden Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber wer-
den gem. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L bei der Stufenzuordnung berücksichtigt. Ist die ein-
schlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt nach § 6
Abs. 2 Satz 3 TV-L eine Einstufung in die Stufe 2 bzw. bei Einstellungen nach dem
31. Januar 2010 und einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren in die
Stufe 3. Auch bei Vorliegen längerer einschlägiger Berufserfahrung kann der Arbeitgeber
gem. § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L diese Zeiten nur dann ganz oder teilweise für die Stufen-
zuordnung berücksichtigen und den Beschäftigten einer höheren Stufe als der Stufe 3 zu-
ordnen, wenn die Einstellung zur Deckung des Personalbedarfs erfolgt ist und die frühere
Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. Diese unterschiedliche Berücksichtigung
von Zeiten der Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber und bei anderen Arbeitgebern ver-
letzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
§
Der Kläger war beim beklagten Land als beamteter Lehrer tätig. Er schied zum 31. Juli 1995
aus dem Staatsdienst aus und war anschließend an privaten Einrichtungen als Lehrer bzw.
Schulleiter tätig. Seit September 2007 ist er als angestellter Lehrer beim beklagten Land be-
schäftigt, das ihn der Stufe 2 der Entgeltgruppe 11 TV-L zuordnete. Mit seiner Klage begehrt
der Kläger für die Zeit seit seiner Einstellung eine Vergütung nach der Stufe 5 seiner Ent-
geltgruppe. Er ist der Auffassung, die unterschiedliche Behandlung bei der Stufenzuordnung
von solchen Lehrern, die vor ihrer Einstellung bei demselben Land beschäftigt waren, und
den Lehrern, die von einem anderen Arbeitgeber zum Land wechseln, sei nicht gerecht-
fertigt.
§
Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat wie die Vorinstanzen die Klage ab-
gewiesen. Die betroffenen Beschäftigtengruppen sind bereits nicht vergleichbar. § 16 Abs. 2
Satz 2 TV-L dient dem Schutz des Besitzstandes von bereits früher bei demselben Arbeit-
geber Beschäftigten bei kurzfristigen Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses. Be-
schäftigte wie der Kläger, die von einem anderen Arbeitgeber zum beklagten Land wechseln,
weisen einen solchen, von den Tarifvertragsparteien als schutzwürdig angesehenen Besitz-
stand nicht auf. Darüber hinaus durften die Tarifvertragsparteien bei typisierender Be-
trachtung annehmen, dass in der weit überwiegenden Mehrzahl von Fällen eine nicht länger
als sechs Monate zurückliegende Tätigkeit beim selben Land, die eine einschlägige Berufs-
erfahrung vermittelt hat, den Beschäftigten befähigt, nach seiner Wiedereinstellung die im
vorherigen Arbeitsverhältnis erworbene Berufserfahrung schneller in vollem Umfang im
neuen Arbeitsverhältnis einzusetzen als dies einem Arbeitnehmer möglich ist, der seine
Berufserfahrung in den oftmals gänzlich andersartigen Strukturen bei anderen Arbeitgebern,
namentlich bei solchen der Privatwirtschaft, erworben hat. Außerdem durften sie einen An-
reiz zur Rückkehr solcher Beschäftigten in den öffentlichen Dienst schaffen, die bereits ein-
schlägige Berufserfahrung beim selben öffentlichen Arbeitgeber erworben hatten.
§
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. September 2010 – 6 AZR 180/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Februar 2009 – 7 Sa
80/08 –
§
Der Sechste Senat hat am selben Tag aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls
einer Lehrerin, die zur Deckung des Personalbedarfs eingestellt worden war, eine Vergütung
nach der höchstmöglichen Stufe 5 der Entgeltgruppe 13 zuerkannt. Bei den Einstellungsver-
handlungen war der Klägerin eine bestimmte Vergütungshöhe zugesagt worden. Eine tarif-
gerechte Vergütung in der zugesagten Höhe war nur unter Ausübung des durch § 16 Abs. 2
Satz 4 TV-L eröffneten Ermessens zugunsten der Klägerin möglich.
§
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. September 2010 – 6 AZR 174/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Januar 2009 -§ 7 Sa
75/08 –