BAG: Auslegung des Merkmals “Aufstieg – ohne” für den Strukturausgleich der Länder

Die neue Entgeltstruktur des TV-L hat für aus dem BAT übergeleitete Angestellte
teilweise Einbußen bei der individuellen Entgeltentwicklung im Vergleich zu der Vergütungserwartung
bei Fortbestand des BAT zur Folge. Zur Abmilderung dieser sog.
Exspektanzverluste haben die Tarifvertragsparteien einen Strukturausgleich vereinbart.
Dabei haben sie nicht auf individuelle Einkommensverluste abgestellt, sondern
die Exspektanzverluste typisierend für verschiedene Beschäftigtengruppen ermittelt.
Ob und welche Angestellten Anspruch auf Strukturausgleich haben, ergibt sich aus
einer Tabelle. In dieser ist in der ersten Spalte die Entgeltgruppe im TV-L, in der
zweiten Spalte die „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ und in der dritten
Spalte unter der Überschrift „Aufstieg“ entweder eine höhere Vergütungsgruppe mit
dem Zusatz „nach … Jahren“ oder der Begriff „ohne“ angeführt. Aus den weiteren
Spalten der Tabelle ergibt sich auf der Grundlage des Ortszuschlags und der Lebensaltersstufe
bei Inkrafttreten des TVÜ-Länder die Höhe des Ausgleichsbetrags
und die Dauer des Bezugs des Strukturausgleichs. Für den Anspruch ist es unerheblich,
ob die in der zweiten Spalte genannte Vergütungsgruppe vor Inkrafttreten des
TVÜ im Wege des Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs erreicht wurde oder nicht.
Der 1962 geborene Kläger ist beim beklagten Land teilzeitbeschäftigt. Er wurde im
Jahr 2004 im Wege des Bewährungsaufstiegs aus der Vergütungsgruppe IVa BAT in
die Vergütungsgruppe III BAT höhergruppiert und zum 1. November 2006 mit der
Lebensaltersstufe 41 in die Entgeltgruppe 11 TV-L übergeleitet. Er hat gemeint, ihm
stehe Strukturausgleich in Höhe von monatlich 73,22 Euro brutto zu. Am Stichtag
1. November 2006 habe er nicht mehr im Wege des Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs
in eine höhere Vergütungsgruppe aufsteigen können. Demgegenüber hat
das beklagte Land die Auffassung vertreten, der Kläger könne keinen Strukturausgleich
verlangen, weil er die Vergütungsgruppe III im Wege des Bewährungsaufstiegs
erreicht habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf
die Berufung des Klägers stattgegeben. Die Revision des beklagten Landes hatte vor
dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ob in der dritten
Spalte das Merkmal „Aufstieg – ohne“ nur erfüllt ist, wenn der Angestellte zum Stichtag
der Einführung des TV-L, dem 1. November 2006, ohne vorherigen Aufstieg
(„originär“) in einer Vergütungsgruppe eingruppiert war, aus der kein Aufstieg möglich
war, oder ob es für den Anspruch auf Strukturausgleich ausreicht, wenn im Zeitpunkt
der Überleitung kein (weiterer) Aufstieg des Angestellten aus seiner Vergütungsgruppe
möglich war, lässt sich anhand der Auslegungskriterien Wortlaut, Sinn
und Zweck, Tarifsystematik und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages nicht mit
der erforderlichen Eindeutigkeit feststellen. Bei Heranziehung des Grundsatzes der
objektiven Auslegung und des Gebots der Normenklarheit ist der Normbefehl des
Merkmals „Aufstieg – ohne“ jedoch dahin zu verstehen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich
schon dann besteht, wenn die für die Vergütung des Angestellten im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ maßgebliche Vergütungsgruppe keinen (weiteren)
Aufstieg zuließ.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 6 AZR 261/11 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. März
2011 – 2 Sa 93/10 –