Nach § 9 KSchG können die Gerichte für Arbeitssachen auf Antrag des Arbeitgebers ein
Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auflösen, wenn eine ordentliche Kündigung
sozial ungerechtfertigt ist, aber Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche
weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Der
Auflösungsantrag kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht
gestellt werden. Sind Auflösungsgründe gegeben, ist das Arbeitsverhältnis
zu dem Zeitpunkt aufzulösen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.
Ein Arbeitgeber, der eine Kündigung vor einem Betriebsübergang ausgesprochen hat und
gegen den der Kündigungsschutzprozess deshalb weiter geführt wird, ist trotz des Verlustes
der Arbeitgeberstellung befugt, einen Auflösungsantrag zu stellen. Dies gilt zumindest dann,
wenn der Auflösungszeitpunkt zeitlich vor dem Betriebsübergang liegt.
Die Klägerin ist seit 1999 als Oberärztin in dem ursprünglich von dem Beklagten getragenen
Krankenhaus beschäftigt. Sie wandte sich gegen die Übernahme des befristet eingestellten
W. in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dabei bezeichnete sie andere unbefristet tätige
Kollegen als „Altlasten„ und wies daraufhin, dass befristet Beschäftigte „anspruchsloser„ seien.
Die Klägerin äußerte mehrfach, Material gegen Kollegen „für den Tag X„ zu sammeln
und erhob Vorwürfe gegen den Chefarzt. Sie stellte einen Zusammenhang mit möglichen
Studien für die Pharmaindustrie, in der W. zuvor beschäftigt war, her und befragte den Chefarzt,
wie viel ihm W. denn in Aussicht gestellt habe. In der dann entstandenen Situation
drohte die Klägerin damit, dass sie ihn, für den Fall, dass er es wagen sollte, sie auch nur
anzurühren, umbringen werde. In einem Schreiben benannte die Klägerin 13 Fälle angeblicher
Behandlungsfehler durch Herrn W., vier davon mit tödlichem Ausgang. Der Beklagte,
der diese Vorwürfe im einzelnen zurückgewiesen hat, kündigte das Arbeitsverhältnis der
Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2003. Die Kündigungsschutzklage
der Klägerin war erfolgreich. Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde das Krankenhaus
am 9. Oktober 2003 auf die Betriebserwerberin übertragen. Der Veräußerer beantragte
am 16. Oktober 2003 im Kammertermin vor dem Arbeitgericht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Er und die dem Rechtsstreit als Streithelferin beigetretene Betriebsübernehmerin
sind der Ansicht, eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin sei nicht zumutbar.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben den Auflösungsantrag des Beklagten
zurückgewiesen. Der Senat hat das Urteil des Landesarbeitgerichts aufgehoben und
den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Mai 2005 – 8 AZR 246/04 –
Vorinstanz: LAG Berlin, Urteil vom 29. Januar 2004 – 18 Sa 2189/03 –