BAG: Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung beim Umzug des Bundesnachrichtendienstes

Auch ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
gebunden. Entschließt er sich, auf die von einer Verlagerungsentscheidung
betroffenen Arbeitnehmer einen – ausschließlich begünstigenden
– Tarifvertrag anzuwenden, dessen Geltungsbereich diese Maßnahme ohne weiteres
erkennbar nicht erfasst, kann er die Anwendung dieses Tarifvertrages nicht kurz vor
Abschluss der beschlossenen Verlagerungsmaßnahmen einseitig beenden. Dies gilt
jedenfalls dann, wenn Umzugsverzögerungen organisatorisch bedingt sind und für
die Entscheidung der „Nicht-Mehr-Anwendung“ des Tarifvertrages vorwiegend die
zwischenzeitlich anders beurteilte Haushaltslage maßgeblich ist. Insoweit ist aus
arbeitsrechtlicher Sicht kein hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung
der Mitarbeiter derselben von der Verlagerungsentscheidung erfassten Abteilung
danach, ob sie vor oder nach der Entscheidung ihre Umsetzungsverfügung
erhalten, erkennbar.
Der Kläger ist seit 1987 beim Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach bei München
beschäftigt. Nach dem Bundestagsbeschluss vom 20. Juni 1991 über die Verlagerung
des Sitzes von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin haben die
Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes einen Tarifvertrag über sozialverträgliche
Begleitmaßnahmen für Arbeitnehmer geschlossen, die von personellen Maßnahmen,
„die in Bezug zu Verlegungen von Verfassungsorganen, obersten Bundesbehörden
und sonstigen Einrichtungen des Bundes stehen, die im Zusammenhang
mit der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin“ erfolgen
(UmzugsTV). Im Jahre 1999 wurde beschlossen, Teile des BND wegen einer
als notwendig angesehenen Nähe dieser Behörde zum Regierungssitz von Pullach
nach Berlin zu verlegen. Im Jahre 2003 wurde diese Entscheidung auf die Abteilung
V des BND erstreckt. Die Mitarbeiter, die im Rahmen dieser Verlegungsentscheidungen
von Pullach nach Berlin wechselten, erhielten bis zum 15. März 2006 Leistungen
nach dem UmzugsTV. Aufgrund einer Entscheidung des damaligen Chefs des Bundeskanzleramtes
wurde ab diesem Datum der UmzugsTV auf die Beschäftigten des
BND nicht mehr angewandt. Der Kläger gehört zu einem kleinen Teil der Abteilung V,
der zu diesem Zeitpunkt noch nicht – wie ca. 1.000 andere Mitarbeiter – nach Berlin
verlegt war. Die Beklagte verweigert die vom Kläger verlangten Leistungen nach dem
UmzugsTV unter Berufung auf die Entscheidung des Bundeskanzleramtes.
Die Klage auf Feststellung, dass die Beklagte auch auf die Umsetzung des Klägers
den UmzugsTV anwenden muss, war in allen drei Instanzen erfolgreich. Der Kläger
kann von der Beklagten die Gleichbehandlung mit denjenigen Mitarbeitern der Abteilung
V verlangen, die vor dem 16. März 2006 nach Berlin umgesetzt worden sind.
Die Entscheidung des Bundeskanzleramtes, den UmzugsTV nicht mehr anzuwenden,
ist keine sachliche Grundlage für eine arbeitsrechtliche Ungleichbehandlung der
verschiedenen Arbeitnehmergruppen der Abteilung V des BND.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Juni 2010 – 4 AZR 928/08 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 17. Juni 2008 – 6 Sa 17/08 –