BAG: Anwendbarkeit der §§ 4, 7 KSchG nF auf eine noch im Jahre 2003 zugegangene Kündigung; Kündigung vor Arbeitsantritt

Der Kläger sollte bei der Beklagten vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2005 befristet beschäftigt werden. Der Arbeitsvertrag sah eine Probezeit von sechs Monaten und die Möglichkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit mit einer Frist von
einem Monat zum Monatsende vor. Der Abschluss des Arbeitsvertrages stand unter dem
Vorbehalt des positiven Ergebnisses einer Untersuchung durch den werksärztlichen Dienst.
Da der Kläger den vom Werksarzt vorgesehenen Untersuchungstermin nicht wahrnehmen
konnte, vereinbarten die Parteien eine Untersuchung des Klägers durch einen externen Arzt.
Der Kläger unterzog sich am 1. Dezember 2003 der ärztlichen Untersuchung. Die Arztkosten
beliefen sich auf 83,96 Euro. Zuvor hatte die Beklagte den Kläger am 27. November 2003
telefonisch über eine beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterrichtet und
das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. November 2003 zum 31. Dezember 2003 gekündigt.
Mit der am 13. Februar 2004 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die
Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und Ersatz der Arztkosten verlangt. Die
Kündigung sei treuwidrig und es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats.
Das Arbeitsverhältnis habe überdies frühestens mit Ablauf des 29. Februar 2004 geendet,
weil die Kündigungsfrist erst mit dem 1. Januar 2004 oder mit dem 5. Januar 2004, dem
Tag der in Aussicht genommenen tatsächlichen Arbeitsaufnahme, begonnen habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung
des Klägers die Beklagte zur Erstattung der verauslagten Arztkosten verurteilt und im Übrigen
die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Die
Anschlussrevision der Beklagten führte zur Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts
auch hinsichtlich der Versagung der Arztkosten.

Eine noch im Jahre 2003 zugegangene Kündigung, gegen die erst im Jahre 2004 gerichtlich
vorgegangen wird, unterliegt der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nF, die mit Inkrafttreten
der Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes am 1. Januar 2004 begann und am
21. Januar 2004 ablief. Da die Klage erst am 13. Februar 2004 beim Arbeitsgericht einge
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gangen war, kann sich der Kläger nicht mehr mit Erfolg auf die behauptete fehlerhafte Anhörung
des Betriebsrats und auf den geltend gemachten Verstoß der Kündigung gegen Treu
und Glauben berufen. Dagegen kann außerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG nF noch geltend
gemacht werden, bei der ordentlichen Kündigung habe der Arbeitgeber die Kündigungsfrist
nicht eingehalten. Bei einer Kündigung vor Dienstantritt ist jedoch grundsätzlich
nicht davon auszugehen, dass die Parteien eine tatsächliche Mindestbeschäftigung gewollt
haben, so dass die Kündigungsfrist idR mit Zugang der Kündigungserklärung beginnt und im
vorliegenden Fall am 31. Dezember 2003 endete. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten
für die ärztliche Einstellungsuntersuchung besteht nicht. Der Kläger durfte diesen Aufwand
nicht mehr für erforderlich halten, nachdem die Beklagte ihm mitgeteilt hatte, das Arbeitsverhältnis
durch Kündigung beenden zu wollen.

BAG, Urteil vom 9. Februar 2006 – 6 AZR 283/05 –

Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Februar 2005 – 6 Sa 697/04 –