VG Koblenz: Zur Notwendigkeit des Polizeischutzes für einen Oberstaatsanwalt

Ob eine Nachbarin bereits vier Jahre andauernde Schutzmaßnahmen für einen von der Mafia
mit dem Leben bedrohten Oberstaatanwalts hinzunehmen hat, hatte das Verwaltungsgericht
Koblenz zu entscheiden.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer von ihr selbst bewohnten Eigentumswohnung in einem
Wohnhaus in Koblenz, in dem auch der beigeladene Oberstaatsanwalt mit seiner Familie
lebt. Der Kriminalpolizei Koblenz liegen ernst zu nehmende Informationen vor, wonach die
Mafia den Oberstaatsanwalt ermorden lassen will. Aus diesem Grund hat die zuständige
Polizeistelle 1999 ein Konzept zum Schutz des Oberstaatsanwalts entwickelt. U.a. wird
die von ihm angemietete Wohnung seit 1999 überwacht und der Zugang Dritter zum Haus
ständig kontrolliert. Die Klägerin wendet sich gegen sämtliche Personen- und
Objektschutzmaßnahmen, ausgenommen die Videoüberwachungsmaßnahmen, für die eine andere
gerichtliche Zuständigkeit begründet ist. Sie ist der Auffassung, ihr könnten die mit
dem Schutz des Oberstaatsanwalts verbundenen Eingriffe in ihre Grundrechte, insbesondere
die ständige Präsenz der Polizei vor ihrer Wohnung, auch bei Abwägung mit den rechtlich
schutzwürdigen Interessen des Beigeladenen angesichts der Dauer der Maßnahmen nicht mehr zugemutet werden.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Fortsetzung der auf der Grundlage des
Schutzkonzeptes des Beklagten auf dem Anwesen vorgenommenen polizeilichen Maßnahmen sei,
so das Gericht, derzeit noch rechtmäßig. Insbesondere werde dadurch noch nicht
unverhältnismäßig in die Rechte der Klägerin eingegriffen. Zwar würde die Klägerin durch
die Maßnahmen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und damit in ihren Grundrechten
beeinträchtigt. Dies sei ihr aber zuzumuten, da für den betroffenen Oberstaatsanwalt
eine konkrete Gefahr für Leib und Leben aufgrund des Mordauftrages aus Kreisen der
organisierten Kriminalität bestehe und die Schutzmaßnahmen geeignet und erforderlich
seien, dessen Sicherheit zu verbessern, auch wenn ein absoluter Schutz nicht
gewährleistet werden könne. Die Polizei habe aber zukünftig zu berücksichtigen, dass die
Beeinträchtigung der Grundrechte der Klägerin mit einer weiteren Fortdauer des
derzeitigen Zustandes an Intensität zunehme. Sollten sich die derzeit noch laufenden Bemühungen der Staatsanwaltschaft, die Hintermänner des Mordauftrages
ausfindig zu machen, als aussichtslos erweisen, wäre zum Schutz des Beigeladenen eine
Fortführung der Schutzmaßnahmen auf unabsehbare Zeit notwendig. In einem solchen Falle
gebiete es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Polizei geeignete Maßnahmen
treffe, um der durch die lange Dauer ständig zunehmenden Beeinträchtigung der Klägerin
angemessen Rechnung zu tragen. Dazu könne unter Umständen ein Wohnungswechsel des
Oberstaatsanwalts gehören, wenn dadurch gewährleistet sei, dass bei gleich bleibendem
Schutzniveau für diesen andere Bürger weniger beeinträchtigt und gefährdet würden.

Gegen die Entscheidung hat das Verwaltungsgericht die Berufung zum OVG Rheinland-Pfalz
zugelassen.

(Urteil vom 29.03.2004; Az.: 3 K 3727/03.KO)