VG Koblenz: Zur etwaigen Unzumutbarkeit einer Kostenlast für vertraglich übernommene Felssicherungsmaßnahmen durch private Grundstückseigentümer wegen Überschreitung der “Opfergrenze”

Die Verbandsgemeinde Bad Ems ist nur insoweit berechtigt, die Eigentümer von Grundstücken, auf denen sich das Felsmassiv “Bäderlei” befindet, zu Felssicherungsmaßnahmen zu verpflichten, als sie nach der mit den Anliegern getroffenen Vereinbarung nicht selbst die bei einem Felssturz erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat. Im Übrigen kann die Kostenbelastung für die betroffenen Grundstückseigentümer im Einzelfall ganz oder teilweise unzumutbar sein. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz.

Die Kläger sind Eigentümer von mehreren kleinen, in der Stadt Bad Ems gelegenen Gründstücken. Auf diesen befindet sich die sog. “Bäderlei”, ein steil aufragender Schieferfels. Seit Anfang der 90er Jahre stürzten von der Bäderlei immer wieder größere und kleinere Felsbrocken auf die darunter liegenden Grundstücke ab. Wegen der andauernden akuten Steinschlaggefahr empfahl das Geologische Landesamt als dringend erforderliche Schutzmaßnahme die Anbringung eines Fangzauns. Im Jahre 1995 schlossen die Verbandsgemeinde Bad Ems, die Stadt Bad Ems und sämtliche von den Felsstürzen bedrohten Anlieger – darunter auch die Kläger – eine Vereinbarung, nach der sich alle Vertragspartner solidarisch an den Kosten des Fangzaunes und weiterer Maßnahmen beteiligen sollten. In einem Rechtsstreit der Verbandsgemeinde mit einzelnen Anliegern, die die Vereinbarung gekündigt hatten, entschied das Verwaltungsgericht Koblenz, dass der Vertrag weiterhin Bestand habe (vgl. Pressemitteilung Nr. 17/2000). Nachdem es in den Jahren 1998 und 1999 zu weiteren Felsstürzen gekommen war, erließ die beklagte Verbandsgemeinde mehrere Verfügungen, mit denen die Kläger zu umfangreichen Sicherungsmaßnahmen verpflichtet, ihnen im Falle der Nichtbefolgung die “Ersatzvornahme” durch Beauftragung einer Fachfirma mit den Maßnahmen angedroht und sie schließlich zur Bezahlung der durch den zwischenzeitlichen Einsatz einer Fachfirma entstandenen Kosten herangezogen wurden.

Hiergegen klagten die Kläger vor dem Verwaltungsgericht Koblenz. Sie verwiesen auf die Vereinbarung von 1995, die einer Inanspruchnahme einzelner Grundstückseigentümer entgegenstehe. Zudem sei die auf sie entfallende Kostenlast unzumutbar.

Das Verwaltungsgericht Koblenz gab den Klägern Recht und hob die Verfügungen auf. Nach Auffassung der Koblenzer Richter sind die Verfügungen rechtswidrig, weil die Verbandsgemeinde bei ihrem – grundsätzlich berechtigten – Einschreiten als Ordnungsbehörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Sie sei in der Vereinbarung von 1995 auch gegenüber den Klägern die Verpflichtung eingegangen, bei einem Felssturz die erforderlichen Maßnahmen an der Fangzaunanlage selbst zu treffen. Die nach dem Polizei- und Ordnungsrecht an sich den Klägern als verantwortlichen Grundstückseigentümern obliegenden Pflichten seien insoweit auf die Verbandsgemeinde verlagert worden. Dies hindere sie nach dem Prinzip von Treu und Glauben, einzelne Vertragspartner durch Verwaltungsakt in Anspruch zu nehmen. Soweit die Kläger zu weitergehenden Maßnahmen – z.B. der Anbringung einer mit Baustahlmatten bewehrten Spritzbetonplombe in der Abbruchstelle – verpflichtet wurden, seien die Anordnungen der Verbandsgemeinde unverhältnismäßig, da mit einer unzumutbaren Kostenbelastung verbunden. Das Verwaltungsgericht verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, demzufolge die Sozialbindung des Eigentums ihre Grenze finde, wenn die finanzielle Belastung des für den Zustand seines Grundstücks verantwortlichen Eigentümers die Grenze des Zumutbaren überschreite. Dies sei hier der Fall:Dem Verkehrswert der Felsparzelle von lediglich 400,– DM stünden Kosten in einer Größenordnung von mindestens 55.000,– DM für die reinen Sanierungsmaßnahmen am Fels gegenüber. Damit sei für die Kläger die “Opfergrenze” überschritten.

Das Verwaltungsgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zugelassen.

(Urteil vom 5. Dezember 2002; Az.: 2 K 2328/01.KO)