VG Koblenz: Verbot der Teilnahme an Stadtratsitzungen unwirksam

Mit der Frage, ob einem Einwohner der Zutritt zu Stadtratssitzungen untersagt werden darf, hatte sich das Verwaltungsgericht Koblenz zu befassen. Der Antragsteller nahm vor dem Dierdorfer Stadtrat am 14. Juli 2003 im Rahmen einer Einwohnerfragestunde zum Ausbau bestimmter Straßen der Stadt Stellung und erklärte in diesem Zusammenhang, der ganze Stadtrat müsse erschossen werden. In der Folgezeit entschuldigte sich der Antragsteller anlässlich der Einwohnerfragestunde der Stadtratssitzung vom 10. September 2003. In diesem Zusammenhang ließ sich der Antragsteller weiter wie folgt ein: „Wenn die Ratsmitglieder Charakter hätten, hätten Sie nach dieser Fehlentscheidung neu entscheiden müssen oder wären als Ratsmitglieder zurückgetreten. Aber leider gehe es 75 % von ihnen nicht um das Wohl der Bürger, sondern nur um Sitzungsgelder.“ Daraufhin beschloss der Rat von Dierdorf, dem Antragsteller bis zum Ende der Wahlperiode den Zutritt zu den Sitzungen des Stadtrates zu verbieten. Die !Stadtbürgermeisterin schloss sich dem an. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und begehrte vorläufigen Rechtsschutz, der aus formellen Gründen erfolgreich war. Mit Verfügung vom 10. Februar 2004 untersagte die Stadt Dierdorf dem Antragsteller erneut, dieses Mal unter Anordnung des Sofortvollzugs, die Teilnahme an den Ratssitzungen bis zum Abschluss der Wahlperiode. Auch hiergegen beantragte der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz.

Das Verwaltungsgericht Koblenz gab dem Begehren statt und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Ausschluss von den Sitzungen wieder her. Das Hausrecht könne, so die Richter, die Stadtbürgermeisterin als Vorsitzende des Rates zwar dazu ermächtigen, einen störenden Zuschauer von der Sitzung auszuschließen. Die gegenüber dem Antragsteller getroffene Entscheidung sei aber unverhältnismäßig. Die verbale Entgleisung des Antragstellers, die als nicht mehr hinnehmbar zu qualifizieren sei, wiege unzweifelhaft schwer. Es sei aber unberücksichtigt geblieben, dass die Äußerung in einer Einwohnerfragestunde im Zusammenhang mit einem in Dierdorf höchst sensiblem Thema gefallen sei. Es könne von daher nicht hinreichend sicher prognostiziert werden, der Antragsteller werde sich im Rahmen von erneuten Stadtratssitzungen zu weiteren Entgleisungen hinreißen lassen. Ferner habe der Grundsatz der Öffentlichkeit von Ratssitzungen einen hohen Stellenwert in einem demokratisc!hen Gemeinwesen. Dieses Prinzip bezwecke insbesondere, der Bevölkerung Einblick in die Tätigkeit kommunaler Vertretungskörperschaften und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und hierdurch eine Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie für die Willensbildung bei künftigen Wahlen zu schaffen. Dies wäre dem Antragsteller nicht mehr möglich, wenner bis zum 13. Juni 2004, also bis zum Wahltag für den künftigen Stadtrat der Antragsgegnerin, nicht mehr an den Stadtratssitzungen teilnehmen dürfte. Bei einer Gegenüberstellung der betroffenen Interessen, der Aufrechterhaltung der Sitzungsordnung im Rat einerseits und der nachteiligen Folgen für das Wahlrecht des Antragstellers andererseits, überwögen vor diesem Hintergrund die Interessen des Antragstellers. Dies gelte umso mehr, als der Antragsteller, sollte er zukünftig stören, von der Ratssitzung ausgeschlossen werden könne. Auch von daher schieße die Verfügung über das gebotene Ziel hinaus.

Gegen die Entscheidung kann beim OVG Rheinland-Pfalz Beschwerde eingelegt werden.

(Beschluss vom 31. März 2004; Az.: 6 L 530/04.KO)