VG Koblenz holt Entscheidung des EuGH wegen Vereinbarkeit der deutschen Abfallablagerungsverordnung mit europarechtlichen Vorgaben ein

Im Rechtsstreit um den Weiterbetrieb der Mülldeponie Eiterköpfe über den 31. Mai 2005 hinaus hat das Verwaltungsgericht Koblenz das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof einige Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es geht um die Vereinbarkeit der deutschen Abfallablagerungsverordnung mit europarechtlichen Vorgaben.

Der Kläger des Verfahrens, der von den Landkreisen Mayen-Koblenz und Cochem-Zell sowie der Stadt Koblenz getragene Deponiezweckverband Eiterköpfe, betreibt im Kreis Mayen-Koblenz nahe der Gemeinde Ochtendung die Zentraldeponie Eiterköpfe, auf der der Müll von rund 400.000 Menschen entsorgt wird. In einem bestandskräftigen Bescheid der früheren Bezirksregierung Koblenz aus dem Jahre 1995 war dem Zweckverband aufgegeben worden, ab dem 31. Mai 2005 nur noch thermisch vorbehandelten Restmüll auf der Deponie abzulagern. Rund fünf Jahre später beantragte der Zweckverband bei der inzwischen zuständigen Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD Nord) eine Ausnahmegenehmigung, die Deponie über den 31. Mai 2005 hinaus mit lediglich mechanisch vorzerkleinerten Abfällen verfüllen zu dürfen. Gestützt wurde der Antrag auf eine Ausnahmeregelung in der “Technischen Anleitung Siedlungsabfall” (TASi), einer Verwaltungsvorschrift des Bundes. Die SGD Nord lehnte den Antrag ab und wies auch den gegen den Ablehnungsbescheid gerichteten Widerspruch des Zweckverbandes zurück. Sie verwies darauf, dass zum 1. März 2001 die Abfallablagerungsverordnung des Bundes in Kraft getreten sei. Damit sei für eine Anwendung der Ausnahmeregelung der TASi kein Raum mehr. Nach der neuen Verordnung komme eine Ausnahmegenehmigung nur noch unter Voraussetzungen in Betracht, die auf der Deponie Eiterköpfe nicht gegeben seien; insbesondere müsse ab dem 1. Mai 2005 eine mechanisch-biologische Vorbehandlung bestimmter Abfälle erfolgen. Zur Begründung seiner Klage vertritt der Zweckverband die Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf die Ausnahmegenehmigung nach der seiner Ansicht nach weiter anzuwendenden Ausnahmeregelung der TASi zu. Jedenfalls könne er sich auf Vertrauensschutz berufen: Der Zweckverband habe im Vertrauen auf die bisherige Verwaltungspraxis Investitionen in Höhe von mehr als 200 Mio. DM getätigt, die bei Versagung der Aussagegenehmigung verloren seien. Zuletzt hat der Kläger insbesondere gerügt,die Abfallablagerungsverordnung sei mit den einschlägigen europarechtlichen Vorschriften nicht vereinbar: Sie gehe in unzulässiger Weise über das europarechtliche Schutzkonzept hinaus, indem z.B. neben biologisch abbaubaren auch nicht biologisch abbaubare Substanzen sowie neben Siedlungsabfällen auch ähnliche Abfälle erfasst würden.

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat das Verfahren nun ausgesetzt und dem EuGH in Luxemburg eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. In ihrem Beschluss machen die Koblenzer Richter deutlich, dass die Klage bei einer Beurteilung allein nach nationalem Recht keinen Erfolg haben könne: Der Erteilung einer Genehmigung zur Verfüllung mit mechanisch vorzerkleinertem Abfall über den 31. Mai 2005 hinaus stünden die zwingenden Vorschriften der Abfallablagerungsverordnung entgegen. Diese seien auch mit höherrangigem nationalem Recht vereinbar. Insbesondere könne die Klägerin sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn sie habe seit 1995 gewusst, welche Anforderungen ab dem Jahre 2005 an sie gestellt würden. Die Kammer könne jedoch nicht eindeutig beantworten, ob die europarechtlichen Vorgaben für die Deponierung bestimmter Abfälle durch die nationalen Bestimmungen in unzulässiger Weise verschärft worden seien. Diese Frage stelle sich z.B. im Hinblick auf die Ausdehnung der nationalen Umweltschutzvorschriften auf nicht biologisch abbaubare organische Substanzen und auf gewerbliche Abfälle. Auch müsse geklärt werden, ob nicht die Gesamtheit aller nationalen Verschärfungen dazu führten, dass im Ergebnis ein andersartiges Schutzkonzept als im Europarecht verfolgt würde. Schließlich sei zu klären, ob der europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete, der Klägerin zu ermöglichen, auf anderem Wege ein im Ergebnis mindestens gleichwertiges Umweltschutzniveau zu erreichen.

(Beschluss vom 4. Dezember 2002; Az.: 7 K 1389/01.KO;)