Dem VGH-Urteil ging ein jahrelanges Verfahren voraus, das im Wesentlichen wie folgt ablief: Der Kläger beteiligte sich an einer im August 1991 gegründeten und im Januar 1992 aufgelösten Initiative mit dem Ziel humanitärer Hilfe für politische Gefangene. Am ersten Treffen dieser Initiative nahmen außer dem Kläger auch ein Herr C. teil. Zwischen C. und dem Kläger entwickelte sich in der Folgezeit eine freundschaftliche Beziehung; der Kontakt brach jedoch im Juni/Juli 1992 ab, da C. unbekannt verzogen war. Bereits vorher war gegen C. der Verdacht entstanden, dieser könne, neben einem Herrn R., ein Verdeckter Ermittler sein. Im Oktober 1992 verlangte der Kläger deshalb unter Hinweis auf einen Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel„ zur „Ausforschung der linken Szene„ unter anderem in Freiburg vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg Unterrichtung darüber, ob er zu den Personen gehöre, über die mittels Einsatzes Verdeckter Ermittler Informationen gesammelt worden seien und forderte Auskunft über alle in diesem Zusammenhang erhobenen Daten. Nach anfänglicher Weigerung erteilte das Landeskriminalamt im Mai 1993 teilweise Auskunft über in Dateien und Akten gespeicherte Erkenntnisse. Weitergehende Auskünfte wurden aus Geheimhaltungsgründen abgelehnt. In einem deswegen beim Verwaltungsgericht eingeleiteten Auskunftsklageverfahren erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt, nachdem das Landeskriminalamt dargelegt hatte, dass etwaige den Kläger betreffende Daten im Zusammenhang mit dem Einsatz Verdeckter Ermittler im Bereich der linksextremistischen/terroristischen Szene gelöscht worden seien. Seine außerdem erhobene Klage auf Feststellung, dass der Einsatz des unter dem Decknamen „Hans-Joachim C.„ eingesetzten Ermittlers rechtswidrig gewesen sei, begründete der Kläger unter anderem damit, dass aufgrund des engen Verhältnisses zwischen ihm und C. diesem eine Vielzahl von Informationen aus dem Privatbereich bekannt geworden seien, die ein vollständiges Persönlichkeitsbild ergäben. Nach längerem Streit über die vom Landeskriminalamt verweigerte Herausgabe von Akten ordnete das Verwaltungsgericht auf Antrag des Klägers und mit Zustimmung des Landeskriminalamts im August 1997 das Ruhen des Verfahrens der Feststellungsklage an. Es folgte ein Schriftwechsel zwischen dem Kläger und der Behörde über die Berechnung der Fünf-Jahres-Frist, nach deren Ablauf die Unterrichtung verweigert werden darf.
Im August 1998 rief der Kläger das Verfahren wieder an und erweiterte seine Klage um den Antrag, ihn gemäß § 22 Abs. 8 Polizeigesetz – PolG – darüber zu unterrichten, ob er in der Zeit vom 3. Mai 1991 bis zum 15. August 1992 Betroffener einer verdeckten Ermittlung gewesen sei.
Das Verwaltungsgericht hat diesem Antrag entsprochen und das beklagte Land zur Auskunftserteilung verpflichtet. Auf dessen Antrag hat der 1. Senat des VGH die Berufung zugelassen und in einem Zwischenurteil vom 15.5.2001, gegen das die Revision des Klägers vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen wurde (Urteil vom 22.4.2002), festgestellt, dass die Berufung des Beklagten zulässig sei, einer Sachentscheidung mithin keine prozessrechtlichen Hindernisse entgegenstünden.
Zur Begründung seiner Auskunftsverweigerung hat das Landeskriminalamt unter anderem geltend gemacht, dass insbesondere im Staatsschutzbereich die Gefährdungslage für jetzige und künftige Einsätze Verdeckter Ermittler mit denen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten außerhalb dieses Bereichs nicht vergleichbar seien. Verdeckte Ermittler im Staatsschutzbereich seien häufig besonderen psychischen Belastungen ausgesetzt und dem Landeskriminalamt seien Fälle bekannt, in denen Verdeckte Ermittler die Einsatzsituation psychisch nicht verkrafteten und entsprechender ärztlicher Hilfe bedürften. Die Gefährdungs- und Bedrohungslage sei im Staatsschutz in der Regel latent gegeben.
In den Entscheidungsgründen des auf mündliche Verhandlung vom 4.12.2002 ergangenen Urteils wird im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 22 Abs. 8 Satz 1 PolG sei der von einer Datenerhebung durch den Einsatz Verdeckter Ermittler (vgl. § 22 Abs. 3 PolG) Betroffene von dieser Maßnahme zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen könne. Dieser Anspruch stehe dem Kläger zu, er sei weder erfüllt noch erloschen noch sonst ausgeschlossen. Er sei durch das frühere verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht erfüllt, denn damals sei es um einen auf § 45 PolG gestützten Auskunftsanspruch über die gespeicherten personenbezogenen Daten gegangen. Jener Auskunftsanspruch und der Unterrichtungsanspruch nach § 22 Abs. 8 PolG bezögen sich auch unterschiedliche Gegenstände. In dem einen Fall gehe es um „gespeicherte personenbezogene Daten„, im anderen um die Information über die (besondere) Art und Weise der Datenerhebung. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht auch den Ausschlussgrund des § 22 Abs. 8 Satz 2 PolG verneint. Nach dieser Bestimmung unterbleibt die Unterrichtung, wenn ein Verdeckter Ermittler oder seine weitere Verwendung für derartige Einsätze gefährdet würde oder seit Beendigung der Maßnahme fünf Jahre verstrichen sind. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung lasse sich eine Gefährdung nicht feststellen. Insoweit komme dem Landeskriminalamt kein gerichtsfreier Beurteilungsspielraum zu, vielmehr unterlägen die Voraussetzungen und Grenzen des Anspruchs auf Unterrichtung in vollem Umfang gerichtlicher Nachprüfung. Zwar könne nicht zweifelhaft sein, dass im Falle einer Gefährdung von Leib und Leben des Verdeckten Ermittlers ein Geheimhaltungsgrund von verfassungsrechtlichem Gewicht bestehe, indes sei bei Auslegung und Anwendung des Ausschlussgrundes auch die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung der Unterrichtung für den Betroffenen zu berücksichtigen. Die gesetzlich normierte Benachrichtigungspflicht sei von entscheidender Bedeutung für den (Grund-)Rechtsschutz des Betroffenen. Soweit der Staat aus Gründen effizienter Gefahrenabwehr heimlich in die Grundrechte des Einzelnen, z.B. das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingreife, könne der herkömmliche Grundrechtsschutz einschließlich der Möglichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes faktisch nicht in gleicher Weise wirksam werden. Es bedürfe deshalb vor allem verfahrensrechtlicher Vorkehrungen, welche der Gefahr einer Verletzung der betroffenen Grundrechte einschließlich des Rechts auf gerichtlichen Schutz entgegen wirkten. Es sei mithin grundsätzlich verfassungsrechtlich geboten, dass dem von dem heimlichen Eingriff Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werde, nachträglich gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, ggf. die Rechtswidrigkeit der Maßnahme feststellen lassen und dadurch eine Art Genugtuung und damit wenigstens einen – wenn auch unvollkommenen – Ausgleich für die rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Um dies tatsächlich zu ermöglichen, sehe § 22 Abs. 8 PolG als grundrechtssichernde Verfahrensbestimmung die Rechtspflicht der zuständigen Behörde zur nachträglichen Unterrichtung des Betroffenen von der Maßnahme vor. Die einem Rechtsschutzausschluss gleichkommenden Einschränkungen der Unterrichtungspflicht seien daher nicht isoliert, sondern im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben auszulegen. Es bestehe ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, das eine restriktive Auslegung der gesetzlichen Ausnahmen von der Unterrichtungspflicht nahe lege. Die Interpretation der Ausschlussgründe müsse vor dem aufgezeigten verfassungsrechtlichen Hintergrund den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen.
Bei Zugrundelegung dieser Vorgaben sah der Senat den pauschalen Hinweis des Landeskriminalamts auf gesteigerte Risiken bei Einsatz im Staatsschutzbereich nicht als ausreichend an. Erforderlich seien im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür, dass kausal durch die Unterrichtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Lebens- und Gesundheitsgefahr für den Beamten bestehe. Dabei sei es Aufgabe der Behörde diese Gründe zu konkretisieren. Es sei zwar nachvollziehbar, dass Verdeckte Ermittler im Staatsschutzbereich „großen Gefahren physischer, vor allem aber besonderer psychischer Beeinträchtigungen ausgesetzt„ seien. Konkrete Umstände, die insbesondere bezogen auf die „Freiburger Szene„ auf eine heute noch bestehende Gefährdung des Verdeckten Ermittlers hindeuteten, habe das Landeskriminalamt aber nicht dargelegt. Es habe auf drei Vorfälle aus dem Jahre 1992 verwiesen, aber keine aktuellen Erkenntnisse darüber genannt, dass eine Gefährdungslage fortbestehe. Es sei auch nicht erklärt worden, dass sie etwa aus Gründen der Geheimhaltung im Verfahren nicht preisgegeben werden könnten. Abgesehen davon hatte der Senat bereits Zweifel, ob die drei Vorfälle aus dem Jahre 1992 in der Vergangenheit den Schluss auf eine hinreichend wahrscheinliche Lebens- oder Gesundheitsgefahr rechtfertigten. Jedenfalls gelte dies für den maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt. Die Vorfälle hätten ersichtlich in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des Verdachts gestanden, dass die „linke„ Freiburger Szene Gegenstand verdeckter Ermittlungen des Landeskriminalamts geworden sei und hätten sich als unmittelbare Reaktion des aus seiner Sicht von „staatlicher Bespitzelung„ betroffenen Personenkreises dargestellt. Für die Richtigkeit dieser Gefährdungsprognose spreche auch, dass die „linke Freiburger Szene„ bereits seit dem Verschwinden des C. im Jahre 1992 aufgrund zahlreicher konkreter Anhaltspunkte davon ausgegangen sei, dass er Verdeckter Ermittler und damit seit 1992 praktisch enttarnt gewesen sei. Unter diesen Umständen bedürfte es greifbarer Anhaltspunkte dafür, dass allein die amtliche Bestätigung der vom Kläger und dem maßgeblichen Personenkreis subjektiv bereits für wahr gehaltenen Tatsache zu einer relevanten Erhöhung der Gefahrenlage für den Verdeckten Ermittler führen würde. Daran fehle es hier.
Ebenso wie das Verwaltungsgericht sah der VGH auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Unterrichtung des Klägers die künftige Verwendung des mutmaßlichen Verdeckten Ermittlers gefährden könnte. Bei Würdigung dieses Ausschlussgrundes sei davon auszugehen, dass dem Verwendungsinteresse der Polizei angesichts des Ranges der durch die besonderen Mittel der Datenerhebung geschützten Rechtsgüter, der Unentbehrlichkeit solcher geheimer Maßnahmen in wichtigen Bereichen der Gefahrenabwehr (etwa bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität) und der besonderen Schwierigkeiten des Beklagten bei der Rekrutierung Verdeckter Ermittler erhebliches Gewicht zukomme. Auf der anderen Seite stehe aber auch hier das grundrechtlich geschützte Interesse des Betroffenen. Der erwähnte verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei dabei auch in zeitlicher Hinsicht relevant. Die Unterrichtungspflicht könne regelmäßig mit Rücksicht auf das gesetzlich normierte Verwendungsinteresse nur zeitlich hinausgeschoben werden, aber grundsätzlich nicht auf Dauer entfallen. Auch hier komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Der Vertreter des Beklagten habe in der mündlichen Verhandlung sich auf den Einwand beschränkt, im Falle einer Enttarnung könne man den Verdeckten Ermittler „in Baden-Württemberg auf der Straße nicht mehr präsentieren„. Hier sei aber der mutmaßliche Verdeckte Ermittler von dem betroffenen Personenkreis bereits seit 1992 praktisch als enttarnt angesehen worden. Ohnedies könnten Verdeckte Ermittler nur „altersangepasst„ in der jeweiligen Szene eingesetzt werden. Auch die Fünf-Jahres-Frist, nach deren Ablauf die Unterrichtung verweigert werden dürfe, sei hier noch nicht abgelaufen. Dabei könne offen bleiben, ob die – soweit ersichtlich in keinem der neueren Polizeigesetze zu findende – Fristbestimmung als solche verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. Denn die Frage, ob die Fünf-Jahres-Frist verstrichen sei, beurteile sich in den Fällen, in denen der Betroffene innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums von der Möglichkeit erfahre, in eine verdeckte Ermittlung einbezogen worden zu sein, nach dem Zeitpunkt, in dem er sein Unterrichtungsbegehren der zuständigen öffentliche Stelle gegenüber erstmals geltend gemacht habe. Dies sei hier jedenfalls mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 3.5.1996 gegenüber dem Landeskriminalamt geschehen. Zu diesem Zeitpunkt seien fünf Jahre seit der im Juli 1992 beendeten Maßnahme nicht verstrichen gewesen.
Das Urteil vom 4.12.2002 – 1 S 1639/00 – ist rechtskräftig.
Polizeigesetz § 22 (Besondere Mittel der Datenerhebung) Abs. 1 Besondere Mittel der Datenerhebung sind: 1. … (längerfristige Observation) 2. … technische Mittel zur Bildaufzeichnung und Tonbandaufnahme … 3. Der Einsatz von Polizeibeamten unter Geheimhaltung ihrer wahren Identität (Verdeckte Ermittler).
Abs. 3 Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten … durch den Einsatz Verdeckter Ermittler von den in § 20 Abs. 2 genannten Personen zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte oder von den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 genannten Personen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgabe gefährdet oder erheblich erschwert würde.
Abs. 8 Der Betroffene ist von einer Maßnahme nach Abs. 2 oder 3 zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann. Die Unterrichtung unterbleibt, wenn hierdurch ein Verdeckter Ermittler oder seine weitere Verwendung für Maßnahmen nach Abs. 1 Nr. 3 gefährdet würde, sich an den die Maßnahme auslösenden Sachverhalt ein Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen anschließt oder seit Beendigung der Maßnahme fünf Jahre verstrichen sind.
§ 45 (Auskunft) Der Polizeivollzugsdienst erteilt nach § 17 des Landesdatenschutzgesetzes Auskunft über die von ihm gespeicherten personenbezogenen Daten; er ist jedoch nicht verpflichtet über die Herkunft der Daten Auskunft zu erteilen.