OVG Rheinland-Pfalz: “Umbettung” einer Leiche aus wichtigem Grund

Die Umbettung einer einmal bestatteten Leiche kann nur aus einem wichtigen Grund verlangt werden, der im Einzelfall schwerer wiegt als die Achtung vor der Totenruhe. So entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, das im vorliegenden Fall diese Voraussetzung bejahte und der Klage stattgab.

Die Klägerin ist die Witwe ihres vor zwei Jahren verstorbenen Ehemannes. Beigesetzt wurde er auf dem Friedhof der Eifelgemeinde, in der das Ehepaar viele Jahre gewohnt hatte. Danach verzog die Witwe an einen etwa 60 km entfernten Ort in den Westerwald, um in der Nähe ihrer Tochter und deren Familie leben zu können. Sie beantragte die Zustimmung ihrer früheren Wohnortgemeinde zur Umbettung des Leichnams, da nach ihrem Umzug die Grabpflege vor Ort nicht mehr gewährleistet sei. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, kam es zum Rechtsstreit. Das Verwaltungsgericht Koblenz wies die Klage in erster Instanz ab. Auf die Berufung der Witwe entschied das Oberverwaltungsgericht jetzt zu ihren Gunsten.

Unter den hier vorliegenden besonderen Umständen könne die Klägerin die umstrittene Zustimmung zur Umbettung verlangen, befanden die Richter. Die nahen Angehörigen eines Verstorbenen hätten das Recht der Totenfürsorge und könnten daher Art und Ort der Bestattung bestimmen. Im Falle der Umbettung einer schon bestatteten Leiche gehe dem Recht auf Totenfürsorge allerdings grundsätzlich die Totenruhe des Verstorbenen vor. Denn es entspreche allgemeinem sittlichem Empfinden, die Ruhe der Toten möglichst ungestört zu lassen. Die Umbettung einer bestatteten Leiche könne deshalb nur aus einem wichtigen Grund verlangt werden, der im Einzelfall höher zu bewerten sei als die Achtung der Totenruhe.

Der bloße Wohnsitzwechsel eines nahen Angehörigen sei noch kein wichtiger Grund für eine Umbettung, betonte das Oberverwaltungsgericht. Auch wenn der Hinterbliebene aus Gründen umziehe, die sich aus seinem fortschreitenden Alter und der damit häufig verbundenen schlechteren Gesundheit ergäben, reiche dies für sich genommen nicht aus. Solche Veränderungen der Lebensumstände träten in einer mobiler gewordenen Gesellschaft häufig auf und müssten grundsätzlich schon bei der Entscheidung über den Ort der (erstmaligen) Bestattung eines Verstorbenen mitbedacht werden.

Im vorliegenden Fall erkannten die Richter allerdings besondere Umstände an, die eine Umbettung rechtfertigen. So habe die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes anfangs die feste Absicht gehabt, das gemeinsame Haus weiter zu nutzen. Unmittelbar danach habe sich ihr Befinden aber plötzlich und unvorhergesehen so verschlechtert, dass der Wegzug unvermeidlich geworden sei. Diese Gründe, die einen regelmäßigen Grabbesuch seither ausschlössen, seien untypisch und wögen so schwer, dass die Achtung vor der Totenruhe dahinter ausnahmsweise zurücktreten müsse.

Das Oberverwaltungsgericht ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2004, Aktenzeichen: 7 A 11930/03.OVG