OVG Rheinland-Pfalz: Tötung eines Polizeibeamten bei Unfallaufnahme auf Bundesstraße – Land muss erhöhtes Witwengeld zahlen

Eine polizeiliche Unfallaufnahme auf einer Bundesstraße zur Nachtzeit kann aufgrund
besonderer Umstände im Einzelfall eine mit besonderer Lebensgefahr verbundene
Diensthandlung darstellen. Erleidet ein Polizeibeamter dabei tödliche Verletzungen,
hat seine Witwe Anspruch auf eine erhöhte Hinterbliebenenversorgung (hier in Höhe von
monatlich 475,– €), entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin nahm zusammen mit einem Kollegen im März 2001
zur Nachtzeit einen Verkehrsunfall auf. Ein Wildschwein war auf einer Bundesstraße im
Kreis Bitburg-Prüm in ein Fahrzeug gelaufen, wodurch dessen Beleuchtung ausgefallen
war. Im Zeitpunkt der Unfallaufnahme stand das Fahrzeug auf dem rechten
Seitenstreifen. Um die Unfallstelle abzusichern, stellten der Ehemann der Klägerin
und sein Kollege den Streifenwagen in Fahrtrichtung vor dem verunfallten Fahrzeug ab
und schalteten das Abblend- und Blaulicht sowie die Warnblickanlage an. Während sich
der Ehemann der Klägerin mit dem Rücken zur Fahrtrichtung zwischen dem Streifenwagen
und dem beschädigten Fahrzeug befand, näherte sich mit stark überhöhter
Geschwindigkeit ein weiteres Fahrzeug der Unfallstelle und prallte gegen die rechte
Leitplanke sowie den etwa zur Hälfte auf dem Seitenstreifen stehenden Polizeiwagen.
Durch die Wucht des Aufpralls drehte sich der Streifenwagen, erfasste den Ehemann der
Klägerin und schleuderte ihn auf die Fahrbahn. Der Ehemann der Klägerin wurde

dadurch so schwer verletzt, dass er nach längerem Wachkoma im November 2003 verstarb.
Das Land erkannte dieses Ereignis als Dienstunfall an, lehnte allerdings dessen
Anerkennung als sog. qualifizierten Dienstunfall mangels einer besonderen
Lebensgefahr ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Trier in
erster Instanz ab. Das Oberverwaltungsgericht hob dieses Urteil jetzt auf und
entschied zu Gunsten der Klägerin.

Zwar sei die Aufnahme eines Verkehrsunfalls nicht generell mit einer besonderen,
über das übliche Maß hinausgehenden Lebensgefahr verbunden. Allerdings sei aufgrund
der besonderen Umstände des vorliegenden Falles ausnahmsweise das Vorliegen einer
erhöhten Lebensgefahr zu bejahen. Bei der Bundesstraße handele es sich um eine stark
frequentierte und deshalb großzügig ausgebaute Transitstrecke zwischen dem
Großherzogtum Luxemburg und der Bundesautobahn A 60, die im Unfallstellenbereich fast
gerade verlaufe. Der gute Ausbauzustand, die Fahrbahnbreite von über 11 Meter und die
vorhandenen Ortsumgehungen ermöglichten insbesondere zu verkehrsarmen Zeiten hohe
Geschwindigkeiten, die den auf einer Bundesautobahn gefahrenen durchaus entsprächen.
Nicht zuletzt aus diesem Grund seien in diesem Bereich in der Vergangenheit
überdurchschnittlich häufig Unfälle, auch mit tödlichem Ausgang, aufgetreten. Hinzu
komme, dass sich der Unfall zur Nachtzeit ereignet habe und die Sicht durch die Blendwirkung der regennassen Fahrbahn beeinträchtigt gewesen sei. Die danach gerade im
Unfallstellenbereich vorhandene Gefahr, durch ein mit hoher Geschwindigkeit
herannahendes Fahrzeug erfasst und lebensgefährlich verletzt zu werden, sei durch die
im konkreten Fall allein mögliche Absicherung der Unfallstelle durch Aufstellen des
Polizeiwagens nicht wesentlich gemildert worden. Dies gelte umso mehr, als der
Ehemann der Klägerin mit der Unfallaufnahme beschäftigt gewesen sei und infolgedessen
den Verkehr nicht habe beobachten können.

Das Oberverwaltungsgericht ließ die Revision nicht zu.

Urteil des OVG Rheinland-Pfalz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar
2005,

Aktenzeichen: 2 A 11761/04.OVG