OVG Rheinland-Pfalz: Hochwasserschutz hat Vorrang vor Bauwünschen

Zum Zwecke eines möglichst schadlosen Hochwasserabflusses können Überschwemmungsgebiete festgesetzt werden, die auch bereits bebaute Ortslagen und Neubaugebiete
umfassen dürfen. Die damit verbundenen baulichen Einschränkungen sind von den Eigentümern grundsätzlich hinzunehmen, entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
in Koblenz.

Der Rechtsstreit betraf ein von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (Neustadt) förmlich ausgewiesenes Überschwemmungsgebiet am Wiesbach. Dieser entspringt
am Donnersbergmassiv und mündet bei Gensingen in die Nahe. Das festgesetzte Überschwemmungsgebiet begleitet den unteren Teil des Bachlaufs auf ca. 25 km Länge und
umfasst auch Teile im Zusammenhang bebauter Ortslagen. Künftig ist es in dem Gebiet grundsätzlich verboten, die Erdoberfläche zu erhöhen oder bauliche Anlagen zu
errichten; unter Bedingungen und Auflagen sind aber Ausnahmen möglich.

Gegen die Festsetzung des Überschwemmungsgebietes wandte sich die Ortsgemeinde Wallertheim (Verbandsgemeinde Wörrstadt) mit dem Antrag auf gerichtliche
Normenkontrolle. Sie rügte, dass die getroffene Maßnahme die bauliche Entwicklung des Gemeindegebietes nicht ausreichend berücksichtige und ihre Bauleitplanung
unverhältnismäßig erschwere. Dem folgte das Oberverwaltungsgericht nicht, sondern lehnte den Normenkontrollantrag ab.

Der Hochwasserschutz sei ein besonders wichtiges Gemeinschaftsanliegen, hob das Gericht hervor. Überschwemmungsgebiete müssten dort ausgewiesen werden, wo dies für
den schadlosen Abfluss des Hochwassers und die Wasserrückhaltung erforderlich sei. Dies hänge vom Vorhandensein natürlicher Gegebenheiten ab, auf die die Behörden in der
gesetzlich festgelegten Weise zu reagieren hätten. Vor diesem Hintergrund sei es unbedenklich, dass das längs des Wiesbaches ausgewiesene Überschwemmungsgebiet
nicht nur die freie Landschaft, sondern auch im Zusammenhang bebaute Ortsteile und Bebauungsplangebiete umfasse.

Die damit verbundenen Beschränkungen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Die bereits vorhandene Bebauung genieße ohnehin Bestandsschutz und werde durch die
wasserbehördliche Ausweisung nicht in Frage gestellt. Auch im Übrigen gelte im festgestellten Überschwemmungsgebiet kein striktes Bauverbot, da Ausnahmen
unter den erforderlichen Bedingungen und Auflagen zugelassen werden könnten. Auf diese Weise ließen sich sowohl die Baulandqualität der betroffenen Grundstücke als
auch ihre situationsbedingte Hochwassergefährdung angemessen berücksichtigen. Wo Belange des Hochwasserschutzes im Einzelfall den vollständigen Verlust eines
Bebauungsanspruchs bewirken sollten, sei auch dies im Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen. Denn die Ursache für solche Nachteile liege letztlich in dem natürlichen
Gefährdungspotential, dem die jeweiligen Grundstücke seit jeher ausgesetzt seien.

Das OVG ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu.

Urteil vom 30. Oktober 2003, Aktenzeichen: 1 C 10100/03.OVG