OVG Rheinland-Pfalz: Grundsatzurteil zur Abwasserbeseitigung – ‘Blaue Adria’ in Altrip muss an Kanal angeschlossen werden

Die Gemeinde Altrip muss ihr Naherholungsgebiet “Blaue Adria” an eine leitungsgebundene Abwasserbeseitigung anschließen, entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Das Naherholungsgebiet liegt im Verdichtungsraum Rhein-Neckar in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stadtgebiet von Ludwigshafen. Es umfasst eine beträchtliche Wasserfläche, die sich auf fünf Baggerseen verteilt; drei von ihnen sind offiziell als Badegewässer ausgewiesen. In dem Bereich befinden sich über 500 Wochenendhäuser, außerdem sind dort mehrere hundert Wohnwagen ortsfest aufgestellt. Begünstigt durch einen hohen Grundwasserstand wird aus zahlreichen Brunnen Grundwasser für den Eigenbedarf entnommen. Das Abwasser wird in Hunderten geschlossener Gruben gesammelt, durch Saugwagen abtransportiert und der Ludwigshafener Kanalisation zugeführt.

Anfang der 90er Jahre legte die Gemeinde Altrip ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, wonach die “Blaue Adria” einen Schmutzwasserkanal erhalten sollte. Zum Vollzug dieser Maßnahme kam es jedoch nicht. Im Jahr 2000 beschloss der Gemeinderat vielmehr, das bisherige System geschlossener Gruben beizubehalten. Dazu berief er sich auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht. Eine wasserbehördliche Anordnung der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (Neustadt), das Naherholungsgebiet unverzüglich an eine leitungsgebundene Abwasserentsorgung anzuschließen, focht die Gemeinde vor dem Verwaltungsgericht Neustadt an. In erster Instanz hatte die Klage Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht korrigierte jetzt aber dieses Urteil und gab der Aufsichtsbehörde Recht.

Die Gemeinde Altrip sei zum Bau einer Kanalisation rechtlich verpflichtet und könne sich dieser Pflicht nicht durch den Hinweis auf ihre Selbstverwaltung entziehen, betonte das Oberverwaltungsgericht. Nur wo eine Kanalisation keinen Nutzen für die Umwelt bringe oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei, dürfe auf individuelle Systeme zurückgegriffen werden, die das gleiche Umweltschutzniveau wie eine Kanalisation gewährleisteten. Dies könne unter Umständen für einen besonders dünn besiedelten ländlichen Raum gelten, nicht aber für ein derart verdichtetes und noch dazu an eine Großstadt grenzendes Wochenendhaus- und Campinggebiet wie die “Blaue Adria”.

Eine erst kürzlich eingeleitete Untersuchung habe ergeben, dass von den vorhandenen Abwassergruben ein hohes Risiko für das Grundwasser ausgehe. So seien viele Gruben undicht gewesen oder hätten sich sonst in keinem ordnungsgemäßen Zustand befunden. Mit technischen Unzulänglichkeiten und menschlichem Fehlverhalten sei beim Betrieb solcher Gruben stets zu rechnen. Die fortdauernde Gefahr einer Verunreinigung des Grundwasser könne aber, zumal im Hinblick auf die Badegewässer und die zahlreichen Brunnen, keinesfalls hingenommen werden. Deshalb habe die Aufsichtsbehörde völlig zu Recht eine unverzügliche und wirkungsvolle Abhilfe gefordert.

Das Oberverwaltungsgericht ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2003, Aktenzeichen:1 A 10036/03.OVG