Der Rettungsdienst ist in Rheinland-Pfalz eine öffentliche Aufgabe. Ihre Durchführung haben die zuständigen Kreise und Städte ganz überwiegend den vier Sanitätsorganisationen Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser-Hilfsdienst übertragen. Während dies früher nur für die eigentliche Notfallrettung lebensbedrohlich Verletzter oder Erkrankter galt, wurde der Krankentransport Anfang der 90er Jahre insgesamt dem Rettungsdienst und damit faktisch den vier genannten Sanitätsorganisationen zugeschlagen. Dahinter steht die Überlegung, dass die Vorhaltung von Krankenwagen rund um die Uhr nur dann wirtschaftlich sinnvoll finanziert werden kann, wenn ihr eine entsprechende Auslastung gegenübersteht. Im praktischen Ergebnis führte das regelmäßig zur Ablehnung von privaten Unternehmen und damit zu einem faktischen Monopol der vier Sanitätsorganisationen.
Auch der Antrag eines Pirmasenser Unternehmens, das Krankentransportleistungen auf der Straße anbieten will, wurde durch die zuständige Kreisverwaltung abgelehnt. Dagegen klagte das Unternehmen und bekam in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Neustadt Recht. Auch das Oberverwaltungsgericht hatte im Berufungsrechtszug zunächst Bedenken und legte dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die Frage vor, ob die Einräumung eines Monopols für Krankentransportleistungen mit europäischem Recht vereinbar ist. Der Europäische Gerichtshof befand, dass der Rettungsdienst eine so wichtige Aufgabe sei, dass sie erforderlichenfalls die Einschränkung und sogar den Ausschluss von Wettbewerb rechtfertigen könne. Daraufhin wies das Oberverwaltungsgericht die Klage des Transportunternehmens jetzt ab.
Zwar hätten private Unternehmen grundsätzlich einen Anspruch darauf, zum Krankentransport und sogar zum Notfalltransport zugelassen zu werden, heißt es in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Die Genehmigung dürfe aber versagt werden, wenn das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst beeinträchtigt werde. Dabei habe der Gesetzgeber diesem Teil der Daseinsvorsorge einen so hohen Stellenwert eingeräumt, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Funktionsfähigkeit des Systems Vorrang vor privatwirtschaftlichen Überlegungen habe. Gefahr drohe der wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes regelmäßig dann, wenn durch die Zulassung von Privatunternehmen freie Kapazitäten des öffentlichen Rettungsdienstes ungenutzt bleiben müssten. Denn auf einen solchen Einnahmeausfall könnten die Sanitätsorganisationen nicht kaufmännisch reagieren. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu beanstanden, dass die Kreisverwaltung dem Pirmasenser Unternehmen die Transportgenehmigung verweigert habe. Der Auslastungsgrad des öffentlichen Rettungsdienstes liege nämlich dort schon derzeit bei nur rund 25 %.
Auch mit europäischem Recht sei der weitgehende Ausschluss privater Anbieter zu vereinbaren, befand das Oberverwaltungsgericht mit Blick auf das Luxemburger Urteil. Zwar gebe es im Prinzip zwei getrennte Dienstleistungsmärkte, nämlich einen Markt für Notfalltransporte und einen Markt für Krankentransporte. Der Markt für Notfalltransporte sei durch die Vorhaltung eines technisch anspruchsvollen Systems gekennzeichnet, das jederzeit einsatzbereit und in der Lage sein müsse, eventuelle “Nachfrage-Spitzen” zu bewältigen. Da ungenutzte Kapazitäten aus diesem Bereich auch für Krankentransporte bereitständen, nähmen die anerkannten Sanitätsorganisationen, insbesondere das Deutsche Rote Kreuz, in der Tat eine marktbeherrschende Stellung ein. Um der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes willen sei dies aber gerechtfertigt, wie der Europäische Gerichtshof klargestellt habe.
“Funktionsschutz” dürfe den anerkannten Sanitätsorganisationen freilich nur gewährt werden, soweit und solange sie eine bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung mit Leistungen des Notfall- und Krankentransports sicherstellen könnten. Sobald das System Rettungsdienst die Auslastungsgrenze erreiche und mithin ein zusätzlicher Bedarf auftrete, müssten auch Private zugelassen werden, betonten die Richter.
Urteil des OVG Rheinland-Pfalz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2002, Aktenzeichen: 7 A 11626/01.OVG
Die Entscheidung kann beim Oberverwaltungsgericht angefordert werden.