Das von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Sächsische Staatsregierung eingeleitete Organstreitverfahren endete für die Antragstellerin mit einem Teilerfolg. Mit Urteil vom heutigen Tage erkannte der Verfassungsgerichtshof für Recht, dass die Antragsgegnerin das Informationsrecht des Landtages verletzt habe, indem sie ihn nicht vollständig und rechtzeitig über die Vorschläge zu den Operationellen Programmen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und den Europäischen Sozialfonds sowie für das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum unterrichtet habe, bevor sie die erarbeiteten Programmvorschläge bei der Europäischen Kommission eingereicht habe.
Der Freistaat Sachsen erhält – bezogen auf die europäische Förderperiode vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2013 – über verschiedene Struktur- und Landwirtschaftsfonds Finanzzuweisungen aus dem europäischen Gemeinschaftshaushalt. Um die gemeinschaftlichen Finanzmittel für konkrete Fördermaßnahmen und -projekte einsetzen zu können, bedarf es der Erarbeitung sächsischer Förderprogramme, die von der Europäischen Kommission angenommen werden müssen. Die jeweiligen Programmvorschläge wurden seit dem Jahr 2005 von den zuständigen Staatsministerien erarbeitet und Ende des Jahres 2006 bzw. Anfang des Jahres 2007 in Brüssel zur Einleitung des Annahmeverfahrens eingereicht.
In einem Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof begehrte die Antragstellerin die Feststellung, dass die Antragsgegnerin den Landtag im Zuge der Formulierung dieser Vorschläge in seinen parlamentarischen Mitwirkungsrechten, jedenfalls in seinen Informationsrechten verletzt habe. Der Antrag hatte teilweise Erfolg. Eine Verletzung von Mitwirkungs- und Beschlussfassungsrechten liegt nach dem heutigen Urteil des Verfassungsgerichtshofs nicht vor. Die Verfassung des Freistaates Sachsen begründe kein Recht des Landtages, an der Europäischen Programmplanung bestimmend mitzuwirken. Insbesondere folge§ ein solches Recht nicht aus der Budgethoheit des Landtages. Auch wenn nicht zu verkennen sei, dass aus den Programmen faktische Vorgaben für die nationale Etataufstellung resultierten, handele es sich bei der§ Formulierung der Programmvorschläge um ein eigenständiges Planungsverfahren außerhalb der Haushaltsgesetzgebung. Eine Mitwirkung des Landtages sei weder geboten, um Vorwirkungen der Programmplanung zu kompensieren und das parlamentarische Budgetrecht zu sichern, noch sei sie mit dem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung vereinbar. Die Erarbeitung der Programme unterfalle der Befugnis der Antragsgegnerin zur Leitung des Staates.
Der Verfassungsgerichtshof stellte jedoch einen Verstoß gegen das parlamentarische Informationsrecht aus Art. 50 i.V.m. Art. 39 Abs. 2 Alt. 3 SächsVerf fest. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, den Landtag über ihre Tätigkeit zu informieren, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sei. Aus der Funktion des Landtages als Stätte der politischen Willensbildung folge die Verpflichtung, das Parlament so umfassend und rechtzeitig über die Programmvorschläge zu informieren, dass es diesem möglich sei, hierzu noch vor§ Übersendung§ an die Europäische Kommission einen politischen Willen zu bilden und diesen gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen. Hierbei bleibe es der Antragsgegnerin überlassen, ob sie den Landtag planungsbegleitend sukzessiv oder erst über die fertiggestellten Programmvorschläge unterrichtete. Dieser Informationspflicht sei die Antragsgegnerin nicht hinreichend nachgekommen. Weder habe eine ausreichende Abschlussunterrichtung stattgefunden, noch hätten die planungsbegleitenden Maßnahmen genügt, um die unterbliebene Abschlussunterrichtung gänzlich zu kompensieren. Eine Mitteilung der Grundzüge der Planung genüge hierfür nicht.
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen – Vf. 87-I-06