Hamb. VerfG: Ausländerwahlrecht zu Bezirksversammlungen verstößt nicht gegen Verfassung

Das Hamburgische Verfassungsgericht hat heute eine Beschwerde gegen die Gültigkeit der Wahl zur Bezirksversammlung Altona vom 24. Februar 2008 (Aktenzeichen HVerfG 03/08) zurückgewiesen.

§ 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Wahl zu den Bezirksversammlungen gewährt das aktive Wahlrecht auch solchen Angehörigen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die nicht deutsche Staatsangehörige sind (Unionsbürger). Dieses hält der Beschwerdeführer, der zum Zeitpunkt der Wahl im Bezirk Hamburg-Altona wohnte und wahlberechtigt war, für verfassungswidrig. Er legte deshalb gegen die Wahl Einspruch ein, den die Bürgerschaft im Juli 2008 zurückwies. Dagegen richtet sich seine Beschwerde zum Hamburgischen Verfassungsgericht. Der Beschwerdeführer macht geltend, nach Hamburgischer Verfassung und Grundgesetz gehe alle Staatsgewalt vom Volke aus, das nur deutsche Staatsangehörige umfasse.

In seiner mündlichen Urteilsbegründung führte Verfassungsgerichtspräsident Gerd Harder aus, die Wahlbeschwerde sei zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Artikel 3 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV) bestimme ebenso wie Artikel 20 Abs. 2 Grundgesetz (GG), dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe. Hierzu gehöre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Gesamtheit der im Wahlgebiet ansässigen Deutschen. Jedoch sei der Volksbegriff der Hamburgischen Verfassung im Lichte des Artikels 28 Abs. 1 GG zu interpretieren, der die Homogenität der verfassungsmäßigen Ordnung in Bund und Ländern vorgebe. Artikel 28 Abs. 1 Satz 3 GG bestimme, dass bei Wahlen „in Kreisen und Gemeinden“ auch Unionsbürger „nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft“ wahlberechtigt seien. Zwar handele es sich bei den Bezirken um Verwaltungseinheiten der unmittelbaren Staatsverwaltung Hamburgs und somit nicht um „Kreise und Gemeinden“ im deutschen staatsrechtlichen Sinn, doch verweise Artikel 28 Abs. 1 Satz 3 GG ausdrücklich auf die „Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft“. Artikel 19 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam eröffne Unionsbürgern das kommunale Wahlrecht in ihren jeweiligen Wohnsitzstaaten. Kommunalwahlen würden in Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie 94/80/EG definiert als Wahlen zu Vertretungen einer „lokalen Gebietskörperschaft der Grundstufe“, zu denen der Anhang der Richtlinie ausdrücklich die Bezirke der Freien und Hansestadt Hamburg zähle.

Der 1992 in das Grundgesetz eingefügte Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG verstoße auch nicht gegen die sog. Ewigkeitsgarantie aus Artikel 79 Abs. 3 GG, mit der bestimmte Verfassungsgrundsätze wie die vom Volke ausgehende Staatsgewalt späteren Änderungen entzogen sind. Artikel 23 Abs. 1 GG fordere nämlich die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Fortentwicklung der Europäischen Union.

Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 100 Abs. 3 GG sei entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht veranlasst, denn das Hamburgische Verfassungsgericht weiche bei der Auslegung der Artikel 20 und 28 GG nicht von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab. Schon in seinem Urteil vom 20. September 2005 (Aktenzeichen HVerfG 10/04) hatte das Hamburgische Verfassungsgericht ausgeführt, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Oktober 1990, mit dem ein 1989 eingeführtes Ausländerwahlrecht zu den Hamburger Bezirksversammlungen wegen Unvereinbarkeit mit Artikel 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 1 GG für nichtig erklärt worden war, aufgrund der späteren Grundgesetzänderung nicht entgegenstehe.

Die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts erging einstimmig.