BVerfG: Zuständigkeitsregelung und Beitragsvorschriften für Leiharbeitsfirmen in der gesetzlichen Unfallversicherung verfassungsgemäß

In der gesetzlichen Unfallversicherung sind hauptsächlich abhängig
beschäftigte Arbeitnehmer gegen die Risiken eines Arbeitsunfalls, eines
Wegeunfalls und einer Berufskrankheit versichert. Die Beiträge zur
gesetzlichen Unfallsversicherung werden von den Arbeitgebern getragen.
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die
Berufsgenossenschaften. Sie sind Körperschaften des öffentlichen
Rechts, denen der Gesetzgeber Autonomie eingeräumt hat. Für Unternehmen
(Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) sind grundsätzlich
die gewerblichen Berufsgenossenschaften zuständig. Die konkrete
Zuordnung eines Unternehmens zu einer von derzeit 35 gewerblichen
Berufsgenossenschaften erfolgt in erster Linie aufgrund des autonomen
Satzungsrechts einer Berufsgenossenschaft. Herangezogen werden insoweit
Bundesratsbeschlüsse und Gewerbe-Verzeichnisse aus den Anfängen der
Sozialversicherung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Von der
gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, die Zuständigkeit der
Berufsgenossenschaften durch Rechtsverordnung festzusetzen, hat das
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung bislang keinen
Gebrauch gemacht. Die Berufsgenossenschaften bilden zur Erfassung der
versicherten Risiken Gefahrtarife, die in Gefahrklassen unterteilt
sind. Die Beitragsfestsetzung erfolgt aufgrund der Zuordnung der
Beschäftigten der versicherten Unternehmen in Gefahrtarife und
Gefahrklassen.

Die Beschwerdeführerin ist ein mittelständisches Unternehmen der
gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Sie wandte sich im
fachgerichtlichen Rechtsweg erfolglos gegen die Zuständigkeit der
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft sowie gegen die Beitragsfestsetzung,
die aufgrund eines speziell für Unternehmen der gewerbsmäßigen
Arbeitnehmerüberlassung gebildeten Gefahrtarifs mit zwei Gefahrklassen
erfolgte.

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
gegen die sozialgerichtlichen Entscheidungen und die ihnen zugrunde
liegenden Vorschriften gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur
Entscheidung angenommen. Die Regeln über die Zuständigkeit der
gewerblichen Berufsgenossenschaften und das Verfahren der
Beitragsfestsetzung sowie deren konkrete Anwendung verletzten die
Beschwerdeführerin nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten.

Der parlamentarische Gesetzgeber habe die Zuständigkeit der
gewerblichen Berufsgenossenschaften ausreichend bestimmt geregelt. Auch
die gesetzliche Ermächtigung des Unfallversicherungsträgers zur
Festsetzung eines Gefahrtarifs sei verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Der Gesetzgeber habe das Beitragsrecht im Wesentlichen
selbst gesetzlich geregelt und die Regelung von Details auf die
Berufsgenossenschaften delegiert. So habe der Gesetzgeber die Struktur
der Tarife durch Gefahrtarife und Gefahrklassen zur Abbildung der
versicherten Risiken selbst vorgegeben und nur die konkrete Festsetzung
der Tarife der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften
überantwortet. Die Bildung eines speziellen Gefahrtarifs für
Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung sei
einleuchtend, weil für die dort beschäftigten Arbeitnehmer besondere
gewerbetypische Unfallgefahren in Folge des häufigen
Arbeitsplatzwechsels angenommen werden konnten. Eine weitere
Ausdifferenzierung des Gefahrtarifs über die beiden Gefahrklassen
hinaus sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Den
Berufsgenossenschaften stehe das Recht zu, durch Typisierungen den
Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen.