Bereits zum zweiten Mal hat die 2. Kammer des Zweiten Senats eine Vorlage des Schle swig-
Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) zur wahlrechtlichen Privilegierung von Parteien
der dänischen Minderheit für unzulässig erklärt.
Sachverhalt und rechtlicher Hintergrund:
Seit 1955 sieht das Wahlgesetz für den Landtag von Schleswig-Holstein für Parteien der
dänischen Minderheit eine Befreiung von der 5 v.H.-Sperrklausel vor. Bis zur Einführung des
Zweistimmenwahlrechts im Oktober 1997 hatte jeder Wähler nur eine Stimme, die sowohl für die
Mehrheitswahl in den Wahlkreisen als auch für die Wahl aus den Landeslisten gezählt wurde. Da
der als Partei der dänischen Minderheit auftretende Südschleswigsche Wähle rverband (SSW) nur
in den Wahlkreisen Schleswig und Pinneberg-Nord Direktkandidaten aufstellte, konnte er nur in
diesen Landesteilen Stimmen erringen. Bei der Landtagswahl vom 27. Februar 2000, die auf der
Grundlage des geänderten Wahlrechts durchgeführt wurde, konnte der SSW über die
Zweitstimme nun auch in den holsteinischen Wahlkreisen gewählt werden, in denen die Partei
keine Direktkandidaten aufgestellt hatte.
Im Rahmen eines Wahlprüfungsbeschwerde-Verfahrens hat das Schleswig-Holsteinische OVG
dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Vorschrift, die die
Parteien der dänischen Minderheit von der 5 v.H.-Sperrklausel ausnimmt, verfassungsgemäß ist.
Die erste Vorlage hatte das Bundesve rfassungsgericht mit Beschluss vom 17. November 2004 für
unzulässig erklärt. Auch die neuerliche Vorlage erweist sich als unzulässig.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Das vorlegende Gericht setzt sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite des Spielraums auseinander, der dem Gesetzgeber bei
der Ausgestaltung des Wahlsystems zukommt.
Nach Ansicht des OVG kann dem SSW die Stellung als Minderheitspartei nur hinsichtlich des
Landesteils Schleswig sowie dem Wahlkreis Pinneberg-Nord zuerkannt werden. Außerhalb
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dieser Regionen sei die Privilegierung nicht gerechtfertigt, da dort eine dänische Minderheit nicht
vorhanden sei.
Dazu heißt es in den Gründen der Entscheidung:
Nach der Landesverfassung von Schleswig-Holstein ist der Landtag das vom Volk gewählte
oberste Organ der politischen Willensbildung. Als Volksvertretung repräsentiert er das
Landesvolk und wählt die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten; korrespondierend
dazu vertreten die Abgeordneten das ganze Volk. Von Wesen und Funktion des Landtages ist
dieser daher stets auf das gesamte Gebiet des Landes Schleswig-Holstein hin ausgerichtet. Dies
gilt auch in Ansehung der – möglicherweise räumlich beschränkten – besonderen Interessen einer
nationalen Minderheit. Denn die Rechtfertigung einer wahlrechtlichen Sonderregelung ergibt sich
auch insoweit gerade aus dem Anliegen, der nationalen Minderheit zur Vertretung ihrer
spezifischen Belange die Tribüne des Parlaments zu eröffnen. Wenn damit einer Partei, jedenfalls
in einem Teilbereich des Wahlgebiets, Funktion und Status einer anerkannten Minderheitspartei
zukommt, so muss sich diese Eigenschaft zwangsläufig im gesamten Wahlgebiet auswirken.
Darüber hinaus würde die Befreiung von der 5 v.H.-Sperrklausel ausschließlich im Landesteil
Schleswig eine Änderung des Wahlsystems bedeuten. Denn es müssten die Stimmen, die für den
SSW in Schleswig abgegeben werden, von den im übrigen Land erzielten Stimmen unterschieden
werden. Für den SSW fände damit im Ergebnis nicht mehr eine Wahl nach Landeslisten, sondern
eine nach Landesteillisten statt.
Schließlich verkennt das OVG, dass es nicht Aufgabe der Gerichte ist zu prüfen, ob der
Gesetzgeber für die Gestaltung des Wahlsystems eine zweckmäßige oder rechtspolitisch
vorzugswürdige Lösung gefunden hat. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle ist darauf
beschränkt, die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze zu überwachen. Ob aber eine
Verhältniswahl nach Landeslisten, nach Landesteil-, nach Bezirks- oder nach Kreislisten erfolgt,
obliegt der Entscheidung des Wahlgesetzgebers. Eine auf den SSW beschränkte
verfassungsrechtliche Pflicht zur Aufstellung von Landesteillisten ist nicht ersichtlich.
Beschluss vom 14. Februar 2005 – 2 BvL 1/05 –
Karlsruhe, den 16. Februar 2005