Auf eine Vorlage des Verwaltungsgerichts Greifswald entschied nun der
Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass der vom Gesetzgeber
gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtende Grundsatz der Versorgung aus dem
letzten Amt eine Verlängerung der Wartefrist auf mehr als zwei Jahre
nicht zulässt. § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ist daher für nichtig zu
erklären. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits
bestandskräftige Versorgungsfestsetzungsbescheide bleiben von dieser
Entscheidung jedoch unberührt. Die Richterin Osterloh und der Richter
Gerhardt haben der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt.
Der Vorlage lag der Fall eines Richters zugrunde, der im November 2001
zum Direktor des Amtsgerichts (Besoldungsgruppe R 2) ernannt und im
Januar 2004 pensioniert worden war. Das Landesbesoldungsamt hatte der
Berechnung seiner Versorgungsbezüge auf der Grundlage von § 5 Abs. 3
Satz 1 BeamtVG die Besoldungsgruppe R 1 zugrunde gelegt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. Zu den vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums zählt, dass das Ruhegehalt unter Wahrung des
Leistungsprinzips und Anerkennung aller Beförderungen aus dem
letzten Amt zu berechnen ist. Die in einer Beförderung liegende
Anerkennung ist nicht auf die Zeit beschränkt, während der sich der
Beamte im Dienst befindet, sondern muss sich auch auf sein
Ruhegehalt auswirken. Seit jeher wurden daher die Versorgungsbezüge
des Beamten auf der Grundlage der Dienstbezüge seines letzten Amtes
festgesetzt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt.
Voraussetzung der Versorgung nach Maßgabe des letzten Amtes ist ein
Mindestmaß an nachhaltiger, diesem Amt entsprechender
Dienstleistung.
II. Eine Ausdehnung der Wartefrist auf drei Jahre ist mit Art. 33 Abs. 5
GG unvereinbar. Sie modifiziert den Grundsatz der amtsgemäßen
Versorgung nicht mehr, sondern verändert ihn grundlegend. Das
Anliegen, Gefälligkeitsbeförderungen zu verhindern und dem Umstand
Rechnung zu tragen, dass eine allzu kurze Dienstzeit dem in
Reichweite des Ruhestands Beförderten nicht mehr die Möglichkeit
bietet, eine hinreichende Leistung im Beförderungsamt zu erbringen,
ließ eine Erstreckung der Frist auf zwei Jahre gerade noch zu. Eine
weitere Ausdehnung kann im Hinblick darauf, dass dem Beamten
aufgrund hergebrachter Strukturprinzipien die Versorgung aus dem
letzten Amt verfassungsrechtlich gewährleistet ist, nicht mehr
gerechtfertigt werden.
Die Erstreckung der Wartefrist auf drei Jahre kann nicht auf die
Absicht der Gewährleistung einer effektiven Wahrnehmung des
Beförderungsamtes gestützt werden. Aus einer Vielzahl bundes- und
landesrechtlicher Bestimmungen ergibt sich, dass im Beamtenrecht
grundsätzlich bereits nach einer erheblich kürzeren Zeit als drei
Jahren von einer Bewährung des Beamten in einem höherwertigen Amt
ausgegangen werden kann. Diesen Vorschriften liegt erkennbar die
Einschätzung zugrunde, dass auch eine Tätigkeit von weniger als drei
Jahren vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dem Beamten
noch ausreichend Möglichkeit gibt, das höhere Amt und die damit
verbundenen Aufgaben effektiv und zum Nutzen seines Dienstherrn
wahrzunehmen.
Die im Gesetzgebungsverfahren sowie in der Stellungnahme der
Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte der allgemeinen
Haushaltslage, der Symmetrie von Dienst- und Versorgungszeiten sowie
der Änderungen im System der gesetzlichen Rentenversicherung sind
nicht geeignet, die Verlängerung der Wartefrist auf drei Jahre zu
rechtfertigen. Könnte die finanzielle Situation der öffentlichen
Hand für sich bereits eine Kürzung der Alimentierung rechtfertigen,
so wäre diese dem uneingeschränkten Zugriff des Gesetzgebers
eröffnet. Die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine
dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den
wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach
politischen Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang der
Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen
Sozialstaatsprinzips bemessen lässt. Auch der Anstieg der
durchschnittlichen Lebenserwartung rechtfertigt keine Verlängerung
der Wartefrist. Denn nach der Systematik des
Beamtenversorgungsrechts ist nicht die Dauer der Versorgungszeit,
sondern diejenige der Tätigkeit im aktiven Dienst für die Höhe der
Versorgungsbezüge maßgeblich. Die dreijährige Wartefrist kann
schließlich nicht auf die Absicht des Versorgungsgesetzes 1998
gestützt werden, rentenrechtliche Änderungen auf die
Beamtenversorgung zu übertragen. Die Verlängerung der Wartefrist ist
vorliegend schon deshalb nicht durch etwaige
sozialversicherungsrechtliche Änderungen gerechtfertigt, weil die
Karenzzeit im Rentenrecht keine Entsprechung findet. Dort wird das
Einkommen auch in den letzten beiden Jahren vor dem Erreichen der
Altersgrenze uneingeschränkt berücksichtigt.
Sondervotum der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt:
Nach Auffassung der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt steht
die Verlängerung der Wartefrist von zwei auf drei Jahre im Hinblick
sowohl auf das Leistungsprinzip als auch auf das Alimentationsprinzip
mit Art. 33 Abs. 5 GG im Einklang. Die Senatsmehrheit ordne die
Wartefrist in ihrer bisherigen Ausgestaltung den vom Gesetzgeber gem.
Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums zu und verleihe damit einem Detail bei der Berechnung
der Versorgungsbezüge Verfassungsrang. Das wiege besonders schwer, weil
diese Entscheidung auf einem Verständnis von Art. 33 Abs. 5 GG beruhe,
das den verfassungsrechtlich eröffneten Gestaltungsspielraum des
Gesetzgebers bei der Regelung und Fortentwicklung des Beamtentums
unzutreffend einschränke, detailübergreifende Reformerwägungen hinfällig
mache und den Gesetzgeber in das Korsett vorhandener Einzelregelungen
schnüre. Nicht zuletzt wegen der im Rahmen der Föderalismusreform
erfolgten Aufnahme des Fortentwicklungsgedankens in Art. 33 Abs. 5 GG
gewinne die verfassungsrechtliche Würdigung der umstrittenen Regelung
exemplarische Bedeutung.
Der Gesetzgeber nehme mit der Verlängerung der versorgungsrechtlich
maßgeblichen “Wartezeit” Einschränkungen im Bereich des
Leistungsgrundsatzes in Kauf, um eine amtsangemessene Versorgung auch in
der Zukunft sicherstellen zu können. Diese Neubewertung, mit der der
Gesetzgeber zukunftsorientiert der Wahrung des Alimentationsprinzips
vorrangige Bedeutung zukommen lasse, liege im Rahmen des ihm zustehenden
Gestaltungsspielraums. Der Kernbereich des Grundsatzes der Versorgung
aus dem letzten Amt als bereichsspezifischer Ausprägung des
Leistungsgrundsatzes werde dadurch nicht verletzt. Aufgrund
struktureller Maßnahmen bei der Einstufung und günstigerer
Karriereverläufe der Beamten basiere die Versorgung heute generell auf
höheren Ämtern als früher, was den Spielraum des Gesetzgebers bei der
Gestaltung der Versorgungsansprüche erweitert habe. Mit Blick auf diese
strukturellen Veränderungen verstoße die Verlängerung der Wartefrist
auch nicht gegen das die Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit des
Berufsbeamtentums gewährleistende Alimentationsprinzip.
Pressemitteilung Nr. 46/2007 vom 13. April 2007
Zum Beschluss vom 20. März 2007 – 2 BvL 11/04 –