BVerfG: Versorgungsbezüge aus dem Beförderungsamt – Wartefrist von drei Jahren verfassungswidrig

§ 5 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz bestimmt, dass grundsätzlich die
Dienstbezüge, die dem Beamten zuletzt zugestanden haben, ruhegehaltfähig
sind. Diese Anknüpfung an das letzte Amt wird durch § 5 Abs. 3 Satz 1
BeamtVG eingeschränkt. Danach berechnen sich die Versorgungsbezüge des
Beamten, der aus einem Beförderungsamt in den Ruhestand tritt und der
die Bezüge aus diesem Amt nicht mindestens drei Jahre erhalten hat, nur
nach Maßgabe der Bezüge des vorher bekleideten Amtes. Ursprünglich hatte
die Wartezeit ein Jahr betragen, 1975 war die Mindestfrist auf zwei
Jahre erweitert worden. Diese Erweiterung auf zwei Jahre hatte das
Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. Juli 1982 als
noch verfassungsgemäß erachtet. Durch das Versorgungsreformgesetz 1998
ist die Wartezeit schließlich im Hinblick auf die Finanzlage der
öffentlichen Haushalte und deren ansteigende Belastung durch
Versorgungskosten auf drei Jahre verlängert worden.

Auf eine Vorlage des Verwaltungsgerichts Greifswald entschied nun der
Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass der vom Gesetzgeber
gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtende Grundsatz der Versorgung aus dem
letzten Amt eine Verlängerung der Wartefrist auf mehr als zwei Jahre
nicht zulässt. § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ist daher für nichtig zu
erklären. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits
bestandskräftige Versorgungsfestsetzungsbescheide bleiben von dieser
Entscheidung jedoch unberührt. Die Richterin Osterloh und der Richter
Gerhardt haben der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt.

Der Vorlage lag der Fall eines Richters zugrunde, der im November 2001
zum Direktor des Amtsgerichts (Besoldungsgruppe R 2) ernannt und im
Januar 2004 pensioniert worden war. Das Landesbesoldungsamt hatte der
Berechnung seiner Versorgungsbezüge auf der Grundlage von § 5 Abs. 3
Satz 1 BeamtVG die Besoldungsgruppe R 1 zugrunde gelegt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Zu den vom Gesetzgeber zu beachtenden hergebrachten Grundsätzen des

Berufsbeamtentums zählt, dass das Ruhegehalt unter Wahrung des

Leistungsprinzips und Anerkennung aller Beförderungen aus dem

letzten Amt zu berechnen ist. Die in einer Beförderung liegende

Anerkennung ist nicht auf die Zeit beschränkt, während der sich der

Beamte im Dienst befindet, sondern muss sich auch auf sein

Ruhegehalt auswirken. Seit jeher wurden daher die Versorgungsbezüge

des Beamten auf der Grundlage der Dienstbezüge seines letzten Amtes

festgesetzt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt.

Voraussetzung der Versorgung nach Maßgabe des letzten Amtes ist ein

Mindestmaß an nachhaltiger, diesem Amt entsprechender

Dienstleistung.

II. Eine Ausdehnung der Wartefrist auf drei Jahre ist mit Art. 33 Abs. 5
GG unvereinbar. Sie modifiziert den Grundsatz der amtsgemäßen

Versorgung nicht mehr, sondern verändert ihn grundlegend. Das

Anliegen, Gefälligkeitsbeförderungen zu verhindern und dem Umstand

Rechnung zu tragen, dass eine allzu kurze Dienstzeit dem in

Reichweite des Ruhestands Beförderten nicht mehr die Möglichkeit

bietet, eine hinreichende Leistung im Beförderungsamt zu erbringen,

ließ eine Erstreckung der Frist auf zwei Jahre gerade noch zu. Eine

weitere Ausdehnung kann im Hinblick darauf, dass dem Beamten

aufgrund hergebrachter Strukturprinzipien die Versorgung aus dem

letzten Amt verfassungsrechtlich gewährleistet ist, nicht mehr

gerechtfertigt werden.

Die Erstreckung der Wartefrist auf drei Jahre kann nicht auf die

Absicht der Gewährleistung einer effektiven Wahrnehmung des

Beförderungsamtes gestützt werden. Aus einer Vielzahl bundes- und

landesrechtlicher Bestimmungen ergibt sich, dass im Beamtenrecht

grundsätzlich bereits nach einer erheblich kürzeren Zeit als drei

Jahren von einer Bewährung des Beamten in einem höherwertigen Amt

ausgegangen werden kann. Diesen Vorschriften liegt erkennbar die

Einschätzung zugrunde, dass auch eine Tätigkeit von weniger als drei

Jahren vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dem Beamten

noch ausreichend Möglichkeit gibt, das höhere Amt und die damit

verbundenen Aufgaben effektiv und zum Nutzen seines Dienstherrn

wahrzunehmen.

Die im Gesetzgebungsverfahren sowie in der Stellungnahme der

Bundesregierung angeführten Gesichtspunkte der allgemeinen

Haushaltslage, der Symmetrie von Dienst- und Versorgungszeiten sowie

der Änderungen im System der gesetzlichen Rentenversicherung sind

nicht geeignet, die Verlängerung der Wartefrist auf drei Jahre zu

rechtfertigen. Könnte die finanzielle Situation der öffentlichen

Hand für sich bereits eine Kürzung der Alimentierung rechtfertigen,

so wäre diese dem uneingeschränkten Zugriff des Gesetzgebers

eröffnet. Die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine

dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den

wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach

politischen Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang der

Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen

Sozialstaatsprinzips bemessen lässt. Auch der Anstieg der

durchschnittlichen Lebenserwartung rechtfertigt keine Verlängerung

der Wartefrist. Denn nach der Systematik des

Beamtenversorgungsrechts ist nicht die Dauer der Versorgungszeit,

sondern diejenige der Tätigkeit im aktiven Dienst für die Höhe der

Versorgungsbezüge maßgeblich. Die dreijährige Wartefrist kann

schließlich nicht auf die Absicht des Versorgungsgesetzes 1998

gestützt werden, rentenrechtliche Änderungen auf die

Beamtenversorgung zu übertragen. Die Verlängerung der Wartefrist ist

vorliegend schon deshalb nicht durch etwaige

sozialversicherungsrechtliche Änderungen gerechtfertigt, weil die

Karenzzeit im Rentenrecht keine Entsprechung findet. Dort wird das

Einkommen auch in den letzten beiden Jahren vor dem Erreichen der

Altersgrenze uneingeschränkt berücksichtigt.

Sondervotum der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt:

Nach Auffassung der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt steht
die Verlängerung der Wartefrist von zwei auf drei Jahre im Hinblick
sowohl auf das Leistungsprinzip als auch auf das Alimentationsprinzip
mit Art. 33 Abs. 5 GG im Einklang. Die Senatsmehrheit ordne die
Wartefrist in ihrer bisherigen Ausgestaltung den vom Gesetzgeber gem.
Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums zu und verleihe damit einem Detail bei der Berechnung
der Versorgungsbezüge Verfassungsrang. Das wiege besonders schwer, weil
diese Entscheidung auf einem Verständnis von Art. 33 Abs. 5 GG beruhe,
das den verfassungsrechtlich eröffneten Gestaltungsspielraum des
Gesetzgebers bei der Regelung und Fortentwicklung des Beamtentums
unzutreffend einschränke, detailübergreifende Reformerwägungen hinfällig
mache und den Gesetzgeber in das Korsett vorhandener Einzelregelungen
schnüre. Nicht zuletzt wegen der im Rahmen der Föderalismusreform
erfolgten Aufnahme des Fortentwicklungsgedankens in Art. 33 Abs. 5 GG
gewinne die verfassungsrechtliche Würdigung der umstrittenen Regelung
exemplarische Bedeutung.

Der Gesetzgeber nehme mit der Verlängerung der versorgungsrechtlich
maßgeblichen “Wartezeit” Einschränkungen im Bereich des

Leistungsgrundsatzes in Kauf, um eine amtsangemessene Versorgung auch in
der Zukunft sicherstellen zu können. Diese Neubewertung, mit der der
Gesetzgeber zukunftsorientiert der Wahrung des Alimentationsprinzips
vorrangige Bedeutung zukommen lasse, liege im Rahmen des ihm zustehenden
Gestaltungsspielraums. Der Kernbereich des Grundsatzes der Versorgung
aus dem letzten Amt als bereichsspezifischer Ausprägung des
Leistungsgrundsatzes werde dadurch nicht verletzt. Aufgrund
struktureller Maßnahmen bei der Einstufung und günstigerer

Karriereverläufe der Beamten basiere die Versorgung heute generell auf
höheren Ämtern als früher, was den Spielraum des Gesetzgebers bei der
Gestaltung der Versorgungsansprüche erweitert habe. Mit Blick auf diese
strukturellen Veränderungen verstoße die Verlängerung der Wartefrist
auch nicht gegen das die Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit des
Berufsbeamtentums gewährleistende Alimentationsprinzip.

Pressemitteilung Nr. 46/2007 vom 13. April 2007

Zum Beschluss vom 20. März 2007 – 2 BvL 11/04 –