Zum rechtlichen Hintergrund und Sachverhalt: Das brandenburgische Hochschulrecht wurde durch die Novelle vom 20. Mai 1999 reformiert. Das Gesetz folgt einem Leitbild, das
mit ähnlicher Zielsetzung in zahlreichen Novellen der Hochschulgesetze der Länder umgesetzt worden ist. Es geht dabei um eine Reform der Organisationsstrukturen, die vor
allem durch eine Stärkung der Leitungsorgane (Präsidentin oder Präsident; Dekanin oder Dekan) charakterisiert ist. Den Kollegialorganen verbleiben Grundsatz- und
Kontrollkompetenzen. Weitere Eckpunkte dieses Leitbildes sind die Einbindung hochschulexterner Kräfte durch Hochschulräte, neue staatliche Steuerungstechniken, Evaluation
(Bewertung und Beurteilung) und leistungsorientierte Vergabe von Personal- und Sachmitteln. Mit ihrer Vb machen die Beschwerdeführer (Bf) geltend, die angegriffenen
Regelungen verletzen sie in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (Wissenschaftsfreiheit).
In den Gründen der Entscheidung heißt es im Wesentlichen: Die Verfassungsbeschwerden sind teilweise unzulässig, weil es insbesondere an der Möglichkeit einer
Grundrechtsverletzung fehlt. Teilweise sind die Vb auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität unzulässig, da die Bf Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte
erlangen können.
Die Verfassungsbeschwerden sind, soweit sie zulässig sind, unbegründet. Die angegriffenen Vorschriften sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.
Die Garantie der Wissenschaftsfreiheit enthält neben einem individuellen Freiheitsrecht auch eine wertentscheidende Grundsatznorm. Der Staat muss für die Idee einer freien
Wissenschaft einstehen und an ihrer Verwirklichung mitwirken. Daher ist die Hochschulorganisation so zu regeln, dass in der Hochschule freie Wissenschaft möglich ist und
ungefährdet betrieben werden kann. Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der Vereinbarkeit von Organisationsnormen mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist darauf abzustellen, ob
diese Regelungen Strukturen schaffen, die die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung gefährden können. Solange der Gesetzgeber ein hinreichendes
Maß an organisatorischer Selbstbestimmung der Grundrechtsträger sicherstellt, darf er den Wissenschaftsbetrieb nach seinem Ermessen regeln. Der Gesetzgeber darf nicht
nur neue Modelle und Steuerungstechniken entwickeln und erproben, vielmehr ist er sogar verpflichtet, bisherige Organisationsformen zeitgemäß zu reformieren. Die
zulässig angegriffenen Regelungen genügen diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben.
1. Die Stärkung der Kompetenzen der monokratischen Leitungsorgane ist mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar, solange deren Tätigkeit inhaltlich begrenzt und
organisatorisch so abgesichert ist, dass die Wissenschaftsfreiheit nicht strukturell gefährdet ist.
a) Die Koordinationskompetenz der Leitungsorgane (§ 65 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3, § 73 Abs. 2 Satz 3 BbgHG) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Durch die Vorschriften
über die Freiheit von Lehre und Forschung (§ 4 Abs. 1 und 2 BbgHG) ist sichergestellt, dass die Koordinationsbefugnis nicht dazu genutzt werden darf, die Freiheit von
Lehre und Forschung zu beeinträchtigen. Hinzu kommen Aufsichts- und Informationsrechte der Kollegialorgane gegenüber den Leitungsorganen (§ 67 Abs. 2, § 74 Abs. 2
BbgHG), das Recht zur Abwahl der Leitungsorgane (§ 65 Abs. 4, § 73 Abs. 1 Satz 4 BbgHG) und die Mitwirkungsbefugnis des Fachbereichsrats in Angelegenheiten der
Koordination von Lehre und Forschung (§ 74 Abs. 1 Nr. 5 BbgHG).
b) Eine Gefahr für die Wissenschaftsfreiheit folgt auch nicht aus der subsidiären Auffangzuständigkeit der Fachbereichsleitungen (§ 73 Abs. 2 Satz 2 BbgHG). Denn diese
ist insbesondere durch die in § 74 Abs. 1 BbgHG aufgezählten Zuständigkeiten der Fachbereichsräte begrenzt. Zudem ist durch § 4 Abs. 1 und 2 BbgHG klar gestellt, dass
die Wahrnehmung der Zuständigkeit durch die Fachbereichsleitung nicht zu einer Beeinträchtigung von Forschung und Lehre führen darf. c) Auch die Erteilung von
Lehrbefugnissen durch die Hochschulleitung und von Lehraufträgen durch die Fachbereichsleitung (§ 53 Abs. 1 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 2 BbgHG) ist mit der
Wissenschaftsfreiheit vereinbar. Auf Grund ihrer Informations-, Aufsichts- und Abwahlbefugnisse haben die Kollegialorgane hinreichende Möglichkeiten,
wissenschaftsinadäquate Entscheidungen zu verhindern.
2. Die Kompetenz der Leitungsorgane zur Evaluation von Lehre und Forschung sowie zur Berücksichtigung der Ergebnisse bei der Mittelverteilung (§ 65 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 und
5, § 73Abs. 3 Satz 1 BbgHG) ist bei verfassungsgemäßer Auslegung ebenfalls mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.
a) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG enthält kein Verbot, an die Bewertung wissenschaftlicher Qualität Folgen bei der Mittelverteilung anzuknüpfen. Die Entscheidung des
Gesetzgebers, die Verteilung von Mitteln im Hochschulbereich auch leistungsorientiert vorzunehmen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn eine
wissenschaftsadäquate Bewertung der Leistung hinreichend gewährleistet ist. Bei der Festlegung der Kriterien ist eine angemessene Beteiligung der Vertreter der
Wissenschaft unabdingbar, um eine wissenschaftsfremde Steuerung zu vermeiden.
b) Die Evaluationskriterien sind im Brandenburgischen Hochschulgesetz nicht im Einzelnen festgelegt. Angesichts der erst allmählichen Herausbildung bewährter Praktiken der
Wissenschaftsevaluation ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich noch nicht gehalten, solche Kriterien festzuschreiben. Er kann im Rahmen seines Einschätzungs- und
Prognosespielraums ein Modell etablieren, in dem die Herausarbeitung solcher Kriterien einem inneruniversitären Prozess überlassen bleibt. Dies ist durch die Regelung im
Brandenburgischen Hochschulgesetz geschehen. Sowohl die Evaluation der Lehre (§ 7, § 74 Abs. 1 Nr. 5 BbgHG) als auch die ? weniger detailliert geregelte – Evaluation der
Forschung (§ 65 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4, § 74 Abs. 1 Nr. 5 BbgHG) erfolgen in einem Verfahren, das den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG genügt und die erforderliche
Einbeziehung von wissenschaftlichem Sachverstand gewährleistet. Der Gesetzgeber ist aber gehalten, die Regelungen zur Organisation der Evaluation zu beobachten und ggf.
nachzubessern.
c) Die Zuständigkeitsregelung hinsichtlich der evaluationsorientierten Mittelverteilung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Wahrnehmung der Zuständigkeit
durch die Leitungsorgane ist unter anderem begrenzt durch die Struktur- und Entwicklungsplanung der Fachbereiche (§ 74 Abs. 1 Nr. 2 BbgHG), den Hochschulentwicklungsplan
(§ 67 Abs. 1 Nr. 3 BbgHG), die Evaluationsergebnisse und durch das Stellungnahmerecht des Senats zum Entwurf des Haushaltsplanes (§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BbgHG). Eine
weitere Begrenzung ergibt sich aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und aus der einfachrechtlichen Garantie der Freiheit der Forschung in § 4 Abs. 2 BbgHG. Die Möglichkeit zu
wissenschaftlichem Arbeiten muss für jeden Grundrechtsträger auch bei einer Mittelverteilung auf Grund der Evaluationsergebnisse bestehen bleiben.
3. Die Vorschriften über die Besetzung des Hochschulleitungsamtes, insbesondere das Vorschlagsrecht des Landeshochschulrats für die Wahl der Hochschulleitung, sind mit
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.
Da die Hochschulleitung nicht nur Selbstverwaltungsorgan ist, sondern auch staatliche Aufgaben zu erfüllen hat, ist ihre Besetzung Angelegenheit von Staat und Hochschule.
Die Verantwortung des Staates wird insbesondere durch die Bestellung des vom Senat gewählten Kandidaten durch den Minister gewahrt. Der Gesetzgeber kann bei der
Ausgestaltung des Hochschulwesens aber weiteren hochschulexternen Einfluss zulassen und daher auch ministerialfreie, die Unabhängigkeit der Wissenschaft vom Staat stärker
sichernde Organisationsformen wählen.
Der Gesetzgeber hat die Zusammensetzung, Bestellung und Aufgaben des Landeshochschulrats in § 63 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 BbgHG ausreichend geregelt. Seine Aufgaben sind
überwiegend beratender und empfehlender Natur. Darüber geht allerdings das Vorschlagsrecht für die Wahl der Hochschulleitung hinaus. Dieses Recht ist jedoch in ein
Zusammenwirken von Staat und Hochschule eingebunden und durch weitere Verfahrensvorschriften beschränkt.
4. Schließlich ist auch das Vorschlagsrecht der Hochschulleitung für die Wahl der Fachbereichsleitungen mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Die Wahl der
Fachbereichsleitung bleibt eine Aufgabe des mehrheitlich mit Hochschullehrern besetzten Fachbereichsrats, der auch die Möglichkeit zur Abwahl behält.
Beschluss vom 26. Oktober 2004 ? 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00 und 1 BvR 928/00 ?
Karlsruhe, den 26. November 2004