BVerfG: Verfassungsbeschwerde eines Schießsportverbands gegen das neue Waffengesetz erfolglos

Die Verfassungsbeschwerde eines Schießsportverbands, die sich gegen Vorschriften des neuen Waffengesetzes richtet, wurde mit Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats
des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen. Damit wurde der weiter gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der das
In-Kraft-Treten der Vorschriften des Waffengesetzes zum 1. April 2003 vorläufig verhindert werden sollte, gegenstandslos.

Zum Sachverhalt: Das Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts vom 11. Oktober 2002 regelt unter anderem die Anerkennung überörtlicher Zusammenschlüsse
schießsportlicher Vereine als Schießsportverband. Außerdem führt das Waffengesetz eine behördliche Genehmigung für die in den Verbänden erlassenen
Schießsportordnungen ein. Die Genehmigung ist Voraussetzung für die Anerkennung als Schießsportverband. Von der Anerkennung als Schießsportverband hängen
bestimmte Vorteile ab. Das neue Recht begründet nämlich für Mitglieder eines Schießsportvereins, der in einem anerkannten Schießsportverband organisiert ist,
Privilegien für den nach dem Waffengesetz erforderlichen Bedürfnisnachweis für den Umgang mit Schusswaffen und Munition. Der beschwerdeführende Schießsportverband
(Bf) sieht sich durch eine staatliche Anerkennungs- und Genehmigungspflicht insbesondere in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.

In den Gründen der Entscheidung heißt es: Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (Vb) liegen nicht vor. Sie hat weder grundsätzliche
verfassungsrechtliche Bedeutung noch Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Regelungen, die das Schießsportvereinswesen unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr
ausgestalten, betreffen die Bf in ihrer Vereinigungsfreiheit. Zwar ist weder die Anerkennung noch die Genehmigung verpflichtend. Die Bf wird aber durch den faktischen Druck,
sich der Präventivkontrolle zu unterwerfen, in ihrer Vereinigungsfreiheit beeinträchtigt. Die angegriffenen Vorschriften sind jedoch im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden.

Der Gesetzgeber will mit der Neuregelung der Anerkennung als Schießsportverband einer festgestellten missbräuchlichen Ausnutzung des Bedürfnisnachweisprivilegs, das
bisher Mitgliedern beliebiger Schießsportvereine gewährt wurde, und damit einhergehenden erheblichen Defiziten für die öffentliche Sicherheit begegnen. Dazu soll
das Privileg auf Mitglieder solcher Verbände beschränkt werden, die nach Größe und Organisation Gewähr für eine ordnungsgemäße Ausübung des
Schießsports in ihren Mitgliedsvereinen bieten. Diese Zielsetzung des Gesetzgebers ist legitim. Der Gesetzgeber überschreitet seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn
er hier eine Regelungstechnik einsetzt, welche die Verbände veranlasst, sich von sich aus um eine Anerkennung und um die Erfüllung der Anerkennungsvoraussetzungen zu
bemühen.

Der Gesetzgeber hat auch nicht die Grenzen eines angemessenen Ausgleichs zwischen dem grundrechtlich geschützten Freiheitsinteresse der Bf und dem verfolgten
Gefahrenabwehrinteresse überschritten. Mit dem Bedürfnisprinzip will der Gesetzgeber angesichts erheblicher Missbrauchsgefahren für die Allgemeinheit erreichen, dass
nicht mehr Waffen als unbedingt nötig in Privatbesitz gelangen. Mit der privilegierten Bedürfnisanerkennung für Sportschützen nimmt er Rücksicht auf die Interessen des
organisierten Schützensports, beschränkt jedoch zugleich das Privileg auf solche Verbände, die für eine ordnungsgemäße Ausübung des Schießsports durch ihre
Mitglieder Gewähr bieten. Dadurch erfüllt er seine Schutzpflicht gegenüber der Allgemeinheit, ohne der verbandlichen Betätigung nicht mehr den für einen effektiven
Grundrechtsgebrauch erforderlichen Raum zu lassen. Will ein Schießsportverein für seine Mitglieder das Privileg eines erleichterten Bedürfnisnachweises für den
Umgang mit Waffen und Munition in Anspruch nehmen, so kann von ihm verlangt werden, dass er sich Anforderungen unterwirft, die der Missbrauchsgefahr begegnen und die mit dem
Privileg verbundene Rücknahme der staatlichen Kontrolle verbandsintern kompensieren sollen.

Auch mit dem Kontrollinstrument der behördlichen Genehmigung von Schießsportordnungen überschreitet der Gesetzgeber nicht die Grenzen eines verhältnismäßigen
Ausgleichs zwischen dem Interesse der Bf und dem Schutzanspruch der Allgemeinheit. Mit dieser Regelung und deren Verknüpfung mit der Anerkennungsfähigkeit eines Verbandes
verschafft sich der Staat eine Kontrolle darüber, ob die Verbände in ihren Sportordnungen die vom Waffengesetz und dessen Verordnungen gesetzten Grenzen einhalten. Dies
ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Genehmigung beschränkt sich auf die waffenrechtsrelevanten Teile der Sportordnungen. Insoweit können die Verbände einer
behördlichen Präventivkontrolle unterworfen werden, ohne dass damit unangemessen in den Gewährleistungsbereich ihrer Vereinigungsfreiheit eingegriffen würde.

Beschluss vom 1. April 2003 – Az. 1 BvR 539/03 –