BVerfG: Verfassungsbeschwerde betreffend die Einfuhr von Textilien aus China bleibt erfolglos

Die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Textilherstellers gegen die Nichterteilung von Einfuhrgenehmigungen
für Textilien aus der Volksrepublik (VR) China und die Änderung der entsprechenden Einfuhrausschreibungen
durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat die 3. Kammer
des Ersten Senats aus prozessualen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen.
Zum Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist ein Unternehmen der Textilbranche und produziert Bekleidung unter
verschiedenen Markennamen. Im April und Mai 2005 schloss sie mit mehreren in der VR China ansässigen
Firmen Verträge über die Lieferung verschiedener Bekleidungswaren. Im Juni 2005 haben die
Europäische Gemeinschaft und die VR China eine Vereinbarung über die Beschränkung der Einfuhr von
bestimmten Textil- und Bekleidungserzeugnissen mit Ursprung in der VR China geschlossen. Auf dieser
Grundlage hat die Europäische Kommission am 8. Juli 2005 durch Verordnung (EG) Nr. 1084/2005 mit
Wirkung zum 12. Juli 2005 Gemeinschaftshöchstmengen für die Einfuhr dieser Erzeugnisse eingeführt.
Binnen weniger Tage waren die Quoten für bestimmte Erzeugnisse – beginnend mit Pullovern – erschöpft.
Dies hat zur Folge, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaft dem BAFA derzeit
keine Bestätigung bzw. Freigabe zur Ausstellung von Einfuhrgenehmigungen für solche Waren erteilt.
Entsprechende Waren sind seither blockiert, ihre Weiterverwendung nicht möglich. Das BAFA hat seine
Einfuhrausschreibungen für Textilwaren und Bekleidung dem EG-Recht mit Wirkung zum 12. Juli 2005
angepasst.

Die chinesischen Lieferanten der Bf haben nach dem 12. Juli 2005 begonnen, ihre Vertragsverpflichtungen
aus den im April und Mai geschlossenen Verträgen zu erfüllen. Teilmengen der bestellten Ware sind
bereits eingetroffen, aber zollrechtlich in den Zustand der vorübergehenden Verwahrung überführt worden.
Auf die von der Bf gestellten Anträge auf Erteilung einer Einfuhrgenehmigung führte das BAFA unter
Hinweis auf die eingetretene Quotenerschöpfung aus, das Genehmigungsverfahren müsse zunächst
ausgesetzt werden, da noch nicht absehbar sei, ob und welche weitergehenden Entscheidungen über mögliche Quotenerhöhungen in Brüssel getroffen würden. Die von der Bf beantragte Abfertigung der
Waren zum freien Verkehr war schon vorher vom Hauptzollamt mit der Begründung abgelehnt worden,
es sei keine Einfuhrgenehmigung vorgelegt worden. Über die von der Bf hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe
ist noch nicht entschieden worden.
Mit ihrer Vb verfolgte die Bf das Ziel, die auf Grund der bestehenden Verträge gelieferten und noch zu
liefernden Waren aus der VR China einführen zu können. Zugleich hat sie einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gestellt. In der Sache machte die Bf im Wesentlichen geltend, die Änderung der
Einfuhrausschreibungen verletze sie in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit. Die getroffene Übergangsregelung
hinsichtlich derjenigen Waren, die nach dem 12. Juli 2005 aus der VR China versandt wurden,
verstoße gegen das Rückwirkungsverbot.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Vb ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie unzulässig ist. Die Bf hat ihr Begehren, die streitgegenständlichen
Waren einführen zu dürfen, nicht vor den Fachgerichten verfolgt. Sie hat auch nicht hinreichend
substantiiert dargelegt, dass ihr durch die Verweisung auf den Rechtsweg ein schwerer und
unabwendbarer Nachteil entstehen würde. Insbesondere ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht, dass es ihr
unzumutbar gewesen wäre, ihr Begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes vor den Fachgerichten
zu verfolgen.

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein Nachsuchen um vorläufigen Rechtsschutz offensichtlich aussichtslos
gewesen wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die von der Bf geltend gemachten Bedenken
hinsichtlich der auch für Altverträge unter Anrechnung auf die vorhandenen Gemeinschaftsmengen beizubringenden
Einfuhrgenehmigungen auf das Gemeinschaftsrecht oder das nationale Recht beziehen. Denn
die Prüfungskompetenzen der Fachgerichte erstrecken sich nicht nur auf die von der Bf angegriffenen
Regelungen des nationalen Rechts. An der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sind die Fachgerichte
nicht nur dann nicht gehindert, wenn sie die Verfassungsmäßigkeit nationaler Rechtsnormen bezweifeln
und gegebenenfalls die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einholen
müssen. Vielmehr steht auch die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht dessen zeitweisem Nichtvollzug in
einem Mitgliedstaat nicht zwingend entgegen.
Mit der Nichtannahme der Vb erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Beschluss vom 5. September 2005 – 1 BvR 1781/05 –
Karlsruhe, den 8. September 2005