Die Krankenversicherung der Rentner wird unter anderem durch Beiträge
finanziert, die der Versicherte zu tragen hat. Neben der Rente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen insbesondere die der Rente
vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht. Die
Beitragshöhe bestimmt sich bei Renten der gesetzlichen
Rentenversicherung nach dem vollen Beitragssatz. Allerdings wird die
Hälfte ihres Beitrages vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung
gezahlt. Für Versorgungsbezüge hingegen wurde bis Ende 2003 nur der
halbe Beitragssatz erhoben; diesen hatten die Versorgungsempfänger
alleine zutragen. Aufgrund einer Rechtsänderung durch das Gesetz zur
Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist ab 2004 nun
auch für Versorgungsbezüge der volle Beitragssatz zu entrichten. Dies
hat zu einer Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge
geführt.
Die sechs Beschwerdeführer sind als Bezieher einer Rente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung in der Krankenversicherung der Rentner
pflichtversichert. Neben der Rente beziehen sie Versorgungsbezüge, auf
die ab 2004 durch die Krankenkassen Beiträge nach dem vollen
Beitragssatz erhoben wurden. Ihre Klage gegen die Verdoppelung der
Beitragslast blieb vor den Sozialgerichten ohne Erfolg.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung
angenommen. Als Teil eines Maßnahmekatalogs zur Erhaltung der
Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung sei die
Verdoppelung der Beitragslast verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.
Dem Nichtannahmebeschluss liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen
zugrunde:
1. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Auf der Ebene des
Beitragssatzes hat das Gesetz nicht eine Ungleichbehandlung
eingeführt, sondern eine bis dahin bestehende Ungleichbehandlung
beseitigt, welche die Empfänger von Versorgungsbezügen im Vergleich
zu den Beziehern einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
begünstigte. Denn Rentenbezieher mussten auch schon vor dem 1.
Januar 2004 Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz entrichten.
Eine Ungleichbehandlung erfahren die Empfänger von
Versorgungsbezügen erst auf der Ebene der Beitragslast, da bei
Versicherungspflichtigen, die eine Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung beziehen, der Träger der Rentenversicherung die
Hälfte der Beiträge übernimmt. Demgegenüber trägt der Bezieher von
Versorgungsbezügen die Beiträge allein.
Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, die Versorgungsträger
ebenso wie die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung an der
Beitragslast zu beteiligen. Der Anspruch des Rentners, vom
Rentenversicherungsträger zur Krankenversicherung einen Zuschuss zu
erhalten, ist legitimiert, weil er letztlich auf Eigenleistungen des
Versicherten in Form von Rentenversicherungsbeiträgen beruht, mit
denen er nicht nur den Rentenanspruch, sondern auch den
Krankenversicherungsschutz mitfinanziert. Demgegenüber widerspräche
es dem Verantwortungsprinzip, Versorgungswerke und Zahlstellen
unterschiedlichster Art, welche ihren Versicherten eine zusätzliche
Altersabsicherung anbieten, für die Finanzierung der gesetzlichen
Krankenversicherung der Rentner in die Pflicht zu nehmen.
2. Die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge ist auch
nicht unverhältnismäßig. Die Maßnahme war zur Deckung einer
zunehmenden Finanzierungslücke, deren Ursache der medizinische
Fortschritt und die zunehmende Zahl älterer Menschen ist,
erforderlich. Deckten 1973 die Beitragszahlungen der Rentner noch
70% deren Leistungsaufwendungen, liegt diese Quote zwischenzeitlich
nur noch bei 43%. Der Gesetzgeber erwartete aus der zusätzlichen
Belastung der Versorgungsbezüge Mehreinnahmen in Höhe von 1,6
Milliarden Euro. Die damit verbundene Mehrbelastung war für die
betroffenen Rentner zumutbar. Versorgungsbezüge machen regelmäßig
nur einen geringen Teil der Alterseinkünfte aus. Selbst wenn in
Einzelfällen die Versorgungsbezüge die anderen Einkünfte
übersteigen, hat die Beitragsmehrbelastung keine grundlegende
Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse im Sinne einer
erdrosselnden Wirkung.
3. Die Verdoppelung der Beitragslast verstößt auch nicht gegen den
Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das System der gesetzlichen
Krankenversicherung steht bereits seit langem unter erheblichem
Kostendruck. Angesichts der vielfältigen Bemühungen des Gesetzgebers
in den vergangenen Jahren, sowohl auf der Einnahmeseite als auch auf
der Ausgabenseite auf Gefährdungen des Systems zu reagieren,
konnten die Versicherten in den Fortbestand privilegierender
Regelungen nicht uneingeschränkt vertrauen. Zudem muss das mit der
Regelung verfolgte Gemeinwohlziel der Erhaltung der Stabilität des
Systems der gesetzlichen Krankenversicherung als gewichtiger
angesehen werden.
Pressemitteilung Nr. 47/2008 vom 4. April 2008
Beschluss vom 28. Februar 2008 – 1 BvR 2137/06 –