BVerfG: Vb gegen die Neufassung des Bauforderungssicherungsgesetzes erfolglos

Das Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen
(Bauforderungssicherungsgesetz -BauFordSiG) dient dem Zweck,
Bauhandwerker und andere Baubeteiligte, die mit ihren Arbeiten in
Vorleistung treten, vor Forderungsausfällen, insbesondere bei einem
Bankrott des Bauunternehmers, zu schützen. Vor dem Hintergrund, dass vor
allem Handwerker und mittelständische Bauunternehmen in den neuen
Bundesländern seit längerer Zeit erhebliche Forderungsausfälle und
daraus resultierende teilweise existenzbedrohende
Liquiditätsschwierigkeiten beklagt hatten, wurde das
Bauforderungssicherungsgesetz durch Artikel 3 des Gesetzes zur Sicherung
von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von
Forderungen vom 23. Oktober 2008 novelliert. Insbesondere wurde die
Vorschrift des § 1 BauFordSiG ausgeweitet, die den Empfänger von Baugeld
verpflichtet, dieses nur zur Befriedigung von Forderungen solcher
Personen zu verwenden, die an der Herstellung des Baus aufgrund eines
Werk-, Dienst- oder Lieferungvertrags beteiligt waren. Von dieser
Baugeldverwendungspflicht sollten nunmehr alle Gelder erfasst werden,
die ein Unternehmer in der Kette nach dem Bauherrn erhält. § 2
BauFordSiG enthält einen die Fälle einer Zuwiderhandlung regelnden
Straftatbestand, der im Wesentlichen der früher in § 5 erfassten
Strafbestimmung entspricht.

Die Beschwerdeführerin zu 1), eine GmbH, ist ein Bauunternehmen mit den
Schwerpunkten Verkehrswegebau, Ingenieurhoch- und -tiefbau,
Rekonstruktion von Bestandsbauwerken sowie Schlüsselfertigbau. Der
Beschwerdeführer zu 2) ist Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter
der Beschwerdeführerin zu 1). Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die
Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit und des
allgemeinen Gleichheitssatzes. Zudem verstoße die Strafvorschrift in § 2
BauFordSiG gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) und gegen
die Unschuldsvermutung aus Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 11 AEMR, Art. 6 EMRK.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit die
Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, des
Bestimmtheitsgebots und der Unschuldsvermutung geltend machen, ist die
Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht hinreichend
substantiiert begründet worden ist. Im Übrigen ist sie unbegründet, da
die Beschwerdeführer durch die angegriffenen Regelungen nicht in ihrer
durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit verletzt werden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Die durch die Neufassung des Bauforderungssicherungsgesetzes in ihrem
Anwendungsbereich erheblich ausgeweitete Pflicht zur zweckentsprechenden
Verwendung von Baugeld greift zwar in das Grundrecht der Berufsfreiheit
ein. Die Verpflichtung, empfangenes Baugeld entsprechend den
gesetzlichen Vorgaben zu verwenden, beeinträchtigt nicht nur die
Beschwerdeführerin zu 1) in diesem Grundrecht, sondern auch den
Beschwerdeführer zu 2), da ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer
im Falle einer Zuwiderhandlung Sanktionen in Form von
Schadensersatzansprüchen und Strafbarkeit drohen.

Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. § 1
BauFordSiG genügt den sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden
Bestimmtheitsanforderungen. Der Vorschrift ist das klare Handlungsgebot
zu entnehmen, empfangenes Baugeld zur Befriedigung von Forderungen der
im Gesetz genannten Personen zu verwenden. Weiter folgt aus Wortlaut,
Zweck und Entstehungsgeschichte der Norm eindeutig, dass Baugeld nur zur
Befriedigung solcher Baugläubiger eingesetzt werden darf, die für genau
die Baustelle tätig geworden sind, für die das Baugeld gegeben wurde.
Die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Maße ein Baugeldempfänger
das Baugeld vor dem Zugriff Dritter zu sichern hat, lässt sich mit
allgemeinen Auslegungsgrundsätzen beantworten. § 1 Abs. 1 Satz 1
BauFordSiG steht ferner nicht in einem rechtsstaatlich bedenklichen
Normwiderspruch zum Insolvenzrecht.

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit genügt auch materiell den
verfassungsrechtlichen Anforderungen, da er durch das Ziel des
Bauforderungssicherungsgesetzes und seiner Novellierung, nämlich
Bauhandwerker und andere Baubeteiligte vor Forderungsausfällen zu
schützen, legitimiert ist.

Derzeit ist nicht festzustellen, dass die angegriffenen Regelungen zur
Erreichung dieses Zwecks nicht geeignet wären. Im Rahmen seines
weitgehenden Einschätzungs- und Prognosespielraums durfte der
Gesetzgeber davon ausgehen, dass die praktische Bedeutung der Regelungen
steigen würde. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die angegriffene
Baugeldverwendungspflicht zur Zweckerreichung ungeeignet wäre, weil sie
den Baugläubigern aufgrund insolvenzrechtlicher Regelungen keinen
wirksamen Schutz bieten könnte. Denn dadurch würden das Verbot, Baugeld
selbst zu verbrauchen oder an Dritte zu zahlen, und die aus einem
Verstoß resultierenden Schadensersatzansprüche von Baugläubigern nicht
beeinträchtigt.

Gegen die Erforderlichkeit des Eingriffs bestehen derzeit ebenfalls
keine Bedenken. Dies gilt auch für die Pflicht einer
baustellenspezifischen Verwendung des Baugeldes. Eine Lockerung dieser
Verpflichtung würde zwar, wie von der Bundesregierung und den Fraktionen
von CDU/CSU und SPD im Jahr 2009 in ihren Gesetzentwürfen zur Änderung
des Bauforderungssicherungsgesetzes vertreten, für Baugeldempfänger ein
erheblich größeres Maß an Flexibilität und eine geringere
Beeinträchtigung ihrer Liquidität mit sich bringen. Nach den schlüssigen
Einwänden des Bundesrates lässt sich jedoch nicht feststellen, dass eine
gelockerte Baugeldverwendungspflicht in jeder Hinsicht zur
Zweckerreichung gleich geeignet wäre. Denn nach Einschätzung des
Bundesrats würde zum einen eine Aufhebung der Verpflichtung zur
baustellenspezifischen Verwendung dazu führen, dass überschuldete
Bauträger und Generalunternehmer „im Schneeballsystem immer wieder «alte
Löcher stopfen»” und sich zu Lasten der am jeweils jüngsten Projekt
beteiligten Subunternehmer länger am Markt halten könnten. Zum anderen,
so die weitere Prognose des Bundesrats, würde der Wegfall der
Verpflichtung zur baustellenspezifischen Verwendung dazu führen, dass
der Schutz von Subunternehmern nicht mehr praktikabel gewährleistet
wäre.

Der Eingriff ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Zwar wird die
Beschwerdeführerin zu 1) durch die Baugeldverwendungspflicht erheblich
in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beeinträchtigt, da sie das
Baugeld nicht dazu benutzen darf, ältere Forderungen aus anderen
Baumaßnahmen zu begleichen, und damit für sie die Möglichkeit eines
„Cash-Poolings“ im Rahmen des Liquiditätsmanagements entfällt. Sie wird
daher in größerem Umfang als bisher auf Eigenkapital oder
Zwischenfinanzierungen angewiesen sein. Darüber hinaus bringt die
Baugeldverwendungspflicht für sie einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit
sich.

Die Beschränkung der Liquidität von Baugeldempfängern wird jedoch durch
das Entnahmerecht für Eigenleistungen nach § 1 Abs. 2 BauFordSiG
abgemildert. Die gleichwohl verbleibenden erheblichen Beeinträchtigungen
der Beschwerdeführer stehen nicht außer Verhältnis zu dem vom
Gesetzgeber legitimerweise bezweckten Schutz der Baugläubiger vor
Forderungsausfällen. Angesichts des Volumens, das die Forderungsausfälle
in der Bauwirtschaft erreicht haben, und der teilweise existenziellen
wirtschaftlichen Folgen, die sich daraus insbesondere für Bauhandwerker
ergeben, darf der Gesetzgeber auch solche Schutzmaßnahmen ergreifen, die
die Berufsausübungsfreiheit der Baugeldempfänger erheblich einschränken.

Angesichts der prognostischen Unwägbarkeiten hinsichtlich der
Auswirkungen gesetzgeberischer Maßnahmen zum Schutz des Bauhandwerks vor
Zahlungsausfällen wird der Gesetzgeber jedoch, so die Kammer
abschließend, die weitere Entwicklung zu beobachten haben, um
gegebenenfalls korrigierend einzugreifen zu können.

Pressemitteilung Nr. 19/2011 vom 3. März 2011

Beschluss vom 27. Januar 2011
1 BvR 3222/09