Der Beschwerdeführer ist seit 1983 Professor an der Theologischen
Fakultät einer niedersächsischen Universität und war ursprünglich für
das Fach “Neues Testament” in Lehre, Forschung und Weiterbildung
verpflichtet. Nachdem er sich vom christlichen Glauben öffentlich
losgesagt hatte, wurde er verpflichtet, das Fach “Geschichte und
Literatur des frühen Christentums” zu vertreten. Dieses Fach wurde dem
Institut für Spezialforschungen zugeordnet, und die Lehrveranstaltungen
des Beschwerdeführers wurden im Vorlesungsverzeichnis mit dem Zusatz
“außerhalb der Studiengänge zur Ausbildung des theologischen
Nachwuchses” angekündigt. Die vom Beschwerdeführer dagegen vor den
Verwaltungsgerichten erhobene Klage blieb in allen Instanzen ohne
Erfolg.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wies die
Verfassungsbeschwerde zurück und kam zu dem Ergebnis, dass der
Ausschluss eines nicht mehr bekennenden Theologieprofessors aus der
bekenntnisgebundenen Theologenausbildung durch die Zuweisung eines
anderen Fachs mit der Wissenschaftsfreiheit vereinbar ist. Das
kirchliche Selbstbestimmungsrecht und das Recht der Fakultät, ihre
Identität als theologische Fakultät zu wahren und ihre Aufgaben in der
Theologenausbildung zu erfüllen, durften im vorliegenden Fall höher
bewertet werden als die Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen
zugrunde:
Für Hochschullehrer ist Kern der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG
geschützten Wissenschaftsfreiheit das Recht, ihr Fach in Forschung und
Lehre zu vertreten. Diese Freiheit wird auch durch den ihnen
übertragenen Lehrauftrag maßgeblich geprägt. Eine Änderung des zu
vertretenden Faches berührt daher notwendig den Inhalt der
Lehrfreiheit. Indem dem Beschwerdeführer anstelle des Faches “Neues
Testament” das Fach “Geschichte und Literatur des frühen Christentums”
zugewiesen wurde und er dadurch aus der bekenntnisgebundenen
Theologenausbildung ausschied, ist in die Wissenschaftsfreiheit
eingegriffen worden. Die Freiheit der Wissenschaft ist zudem dadurch
betroffen, dass dem Beschwerdeführer durch die Umsetzung von einem
Kernfach in ein nicht ausbildungsrelevantes Randgebiet eine in ihrer
Bedeutung im Lehr- und Forschungszusammenhang der Universität deutlich
verminderte Stellung übertragen wird und dies eine staatliche Reaktion
auf spezifisch wissenschaftliche Äußerungen und Positionen darstellt.
Gerade dadurch realisiert sich die Gefahr, vor der Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG Schutz gewähren will.
Der Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist jedoch mit Rücksicht
sowohl auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m.
Art. 137 Abs. 3 WRV) als auch auf die ihrerseits durch Art. 5 Abs. 3 GG
geschützten Rechte der Fakultät gerechtfertigt.
Die Wissenschaftsfreiheit von Hochschullehrern der Theologie findet
ihre Grenzen am Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Das
Grundgesetz erlaubt die Lehre der Theologie als Wissenschaft an
staatlichen Hochschulen. Sind staatliche theologische Fakultäten
eingerichtet, muss das Selbstbestimmungsrecht derjenigen
Religionsgemeinschaft beachtet werden, deren Theologie Gegenstand der
konfessionsgebundenen Lehre ist. Das Amt des Hochschullehrers an einer
theologischen Fakultät darf daher bekenntnisgebunden ausgestaltet
werden. Es kann und darf nicht Sache des religiös-weltanschaulich
neutralen Staates sein, über die Bekenntnisgemäßheit theologischer
Lehre zu urteilen. Dies ist vielmehr ein Recht der Glaubensgemeinschaft
selbst.
Die Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers findet ihre Grenze auch
an dem seinerseits durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Recht der
Fakultät, ihre Identität als theologische Fakultät zu wahren und ihre
Aufgaben in der Theologenausbildung zu erfüllen. Für eine theologische
Fakultät wird ihr Lehr- und Forschungsauftrag wesentlich durch die
Bekenntnismäßigkeit der Lehre mitbestimmt. Diese Funktion wird
gefährdet, wenn die Ausbilder öffentlich nicht mehr an den
Glaubensüberzeugungen der Kirche festhalten. Eine theologische Fakultät
wäre in ihrer Existenz bedroht, wenn die Kirche die dort vertretene
Lehre, zumal in einem Kernfach wie “Neues Testament”, nicht mehr als
bekenntnismäßig ansehen und in der Konsequenz ihre Absolventen nicht
als Geistliche aufnehmen und an ihr ausgebildete Religionslehrer nicht
zum bekenntnisgebundenen Religionsunterricht zulassen würde. Für
evangelische Fakultäten kommt hinzu, dass die Kirche es ihnen – anders
als die katholische Kirche mit ihrem verbindlichen Lehramt – in erster
Linie selbst überlässt, die Bekenntnismäßigkeit der Lehre zu wahren.
Die angegriffene Maßnahme der Universität und die
verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen haben im Ergebnis die
Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers zutreffend gegen die
entgegenstehenden verfassungsrechtlichen Belange abgewogen und dabei
das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
Die Umsetzung des Beschwerdeführers vom konfessionsgebundenen Fach
“Neues Testament” auf das nicht mehr konfessionsgebundene Fach
“Geschichte und Literatur des frühen Christentums” und seine Entfernung
aus der Ausbildung des theologischen Nachwuchses berücksichtigen das
kirchliche Selbstbestimmungsrecht und fördern den Zweck der Bewahrung
der Funktionsfähigkeit der theologischen Fakultät. Die Übertragung des
neuen Faches ist dem Beschwerdeführer zumutbar, weil er seine Stellung
als Hochschullehrer behält und ihm ein seinem ursprünglichen Fach
weitgehend ähnliches Fach übertragen wurde. Er kann weiterhin
ungehindert Lehrveranstaltungen anbieten, in einem von ihm selbst
bestimmten Bereich forschen und publizieren sowie den Studenten die
Ergebnisse seiner Forschung vermitteln. Auch die Folgen der Umsetzung
für die Stellung des Beschwerdeführers in Lehre und Prüfung machen die
Maßnahme nicht unzumutbar. Allerdings beeinträchtigt die
Nichtberücksichtigung des neuen Faches des Beschwerdeführers in den
Prüfungs- und Studienordnungen der theologischen Fakultät seine
Lehrfreiheit nicht unerheblich. Den Hochschullehrern stehen Rechte auf
Teilhabe an der amtsprägenden Tätigkeit der Studentenausbildung und der
Nachwuchsförderung zu. Die Fachgerichte sind jedoch ohne
Verfassungsverstoß davon ausgegangen, dass eine angemessene Einordnung
des neuen Faches des Beschwerdeführers in Studien- und
Prüfungsordnungen noch möglich ist, und dass die Durchsetzung eines
entsprechenden Begehrens nicht Sache des vorliegenden Verfahrens,
sondern zukünftiger Verhandlungen ist.
Pressemitteilung Nr. 14/2009 vom 18. Februar 2009
Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 1 BvR 462/06 –