BVerfG: Vb des Anwalts von El Masri gegen Telefonueberwachung erfolgreich

Der Beschwerdeführer ist anwaltlicher Vertreter des von Dezember 2003
bis Mai 2004 – mutmaßlich von Geheimdienstkreisen – entführten Khaled El
Masri. Im Januar 2006 ordnete das Amtsgericht München die Überwachung
des Telefon- und Telefaxanschlusses der Rechtsanwaltskanzlei des
Beschwerdeführers sowie seiner beiden Mobilfunkgeräte an. Zur Begründung
führte das Gericht aus, dass auf Grund der verstärkten
Medienberichterstattung über den Fall „El Masri“ damit gerechnet werden
müsse, dass die Täter der Entführung telefonisch mit dem Geschädigten
oder dem Beschwerdeführer in Verbindung träten, um eine „Lösung des
Falles“ zu diskutieren. Das Landgericht München I bestätigte die
Überwachungsanordnung. Aufgrund des Ende 2005 (wieder-) erwachten
Medieninteresses sei die Annahme des Amtsgerichts nicht zu beanstanden,
dass sich dem Täterkreis nahe stehende Personen an den Beschwerdeführer
wenden könnten, um Vereinbarungen zu treffen, die den Geschädigten aus
dem Blickfeld der Medien nehmen sollten.

Die gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts
erhobene Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die 3. Kammer des
Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die Entscheidungen auf,
da sie den Beschwerdeführer in seinem Fernmeldegeheimnis und seiner
Berufsausübungsfreiheit verletzen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der in der Anordnung der Abhörmaßnahme liegende Eingriff in das
Fernmeldegeheimnis ist nicht gerechtfertigt. Die Maßnahme diente zwar
dem legitimen öffentlichen Zweck der Aufklärung und Verfolgung schwerer
Straftaten. Der Eingriff war jedoch unverhältnismäßig. Die
Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer von den Tätern kontaktiert
werden würde, war von vornherein so gering, dass die Erfolgsaussichten
der Maßnahme außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs standen. Die
Umstände, die aus Sicht der Fachgerichte Kontakte zwischen dem
Beschwerdeführer und dem Täterumfeld erwarten ließen, sind wenig konkret
und tragen lediglich den Charakter von Vermutungen. Dabei ist
insbesondere zu berücksichtigen, dass das Ende der Entführung schon mehr
als eineinhalb Jahre zurücklag. Soweit sich die Fachgerichte auf ein
„Ende des Jahres 2005 (wieder-) erwachtes Medieninteresse“ berufen,
bleiben die Angaben zu unbestimmt. Das Landgericht setzt sich
insbesondere nicht damit auseinander, dass bereits ab Beginn des Jahres
2005, auch in der ausländischen Presse und auch unter Nennung des Namens
des Beschwerdeführers, über die Verschleppung des El Masri durch
Geheimdienstkreise berichtet worden war. Es ist nicht ersichtlich,
weshalb eine Kontaktaufnahme durch die Täter erst und gerade ab Januar
2006 zu erwarten gewesen wäre.

Darüber hinaus verletzt die Maßnahme die Berufsausübungsfreiheit des
Beschwerdeführers. Die herausgehobene Bedeutung einer nicht-
kontrollierten Berufsausübung eines Rechtsanwalts zum Schutz des
Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant gebietet die
besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und hätte die Fachgerichte zu einer
Ablehnung der Anordnung veranlassen müssen.