Die Verfassungsbeschwerde eines Rundfunkteilnehmers, der sich gegen die Erhebung eines Teilnehmerentgelts
zur Finanzierung des privaten Rundfunks wandte, war teilweise erfolgreich. Der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die angegriffenen Regelungen des Bayerischen Mediengesetzes
über das Teilnehmerentgelt mit Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) unvereinbar sind.
Die Inhaber von Kabelanschlüssen dürften zur finanziellen Unterstützung der Programme privater Rundfunkanbieter
nur herangezogen werden, wenn der Gesetzgeber Vorkehrungen für hinreichende Sicherungen
einer gleichgewichtigen Vielfalt in den geförderten Programmangeboten trifft. Diesen Anforderungen
werde das bayerische Rundfunkrecht nicht in ausreichender Weise gerecht. Für eine Übergangszeit bis
zum 31. Dezember 2008 können die Regelungen über die Erhebung des Teilnehmerentgelts aber noch
angewandt werden.
Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:
Auf der Grundlage des Bayerischen Mediengesetzes erhebt die Bayerische Landeszentrale für neue Medien
von den Inhabern eines Kabelanschlusses ein Teilnehmerentgelt. Dabei handelt es sich nicht um die
an den Kabelnetzbetreiber zu entrichtenden Entgelte für die Nutzung des Kabelanschlusses und auch
nicht um die Gebühr für den öffentlichrechtlichen Rundfunk, die von der GEZ eingezogen wird. Vielmehr
sind die Teilnehmerentgelte eine besondere Form der Finanzierung, die in erster Linie zur Erreichung der
wirtschaftlichen Tragfähigkeit der lokalen und regionalen Fernsehanbieter sowie einer möglichst gleichwertigen
Versorgung mit lokalen und regionalen Fernsehangeboten in Bayern beitragen soll. Gegenwärtig
werden insgesamt 33 private Rundfunkangebote durch Zuschüsse aus den Teilnehmerentgelten unterstützt.
Das Teilnehmerentgelt betrug ursprünglich 0,30 DM. Bis zum Jahr 2008 wird es stufenweise auf monatlich 0,30 Euro pro Kabelhaushalt zurückgeführt. Zur Zeit beträgt es 0,45 Euro. Zum 31. Dezember 2008 tritt die Regelung über das Teilnehmerentgelt außer Kraft
Der Beschwerdeführer war vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Juli 1996 Inhaber eines Breitbandkabelanschlusses.
Für diese Zeit verlangte eine Medienbetriebsgesellschaft, die für die Einspeisung von Programmen
nach dem Bayerischen Mediengesetz in das Breitbandkabelnetz zuständig war, von dem Beschwerdeführer
die Zahlung von insgesamt 152, 70 DM. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer
zur Zahlung dieses Betrags. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde war im Hinblick auf
die der Entscheidung des Amtsgerichts zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen erfolgreich.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zur Grunde:
1. Die Pflicht der Inhaber von Kabelanschlüssen zur Zahlung des Teilnehmerentgelts beeinträchtigt ihre
Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Diese Beeinträchtigung ist nicht gerechtfertigt.
Die Regelungen über das Teilnehmerentgelt zielen auf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit (Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG). In der dualen Ordnung eines Nebeneinander von öffentlichrechtlichem und privatwirtschaftlichem
Rundfunk soll der Rundfunkfreiheit dadurch gedient werden, dass die durch die verschiedenartigen
Strukturen der Veranstalter ermöglichten unterschiedlichen Programmorientierungen zur
Breite und Vielfalt des Programmangebots insgesamt beitragen. Allerdings sichern Marktprozesse allein
nicht, dass lokale und regionale Angebote überall auch finanziell tragfähig entstehen und konkurrierend
so in Erscheinung treten, dass dies in diesem Bereich zu publizistischer Vielfalt führt. Es stimmt daher mit
dem Auftrag des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Gewährleistung einer vielfältigen Rundfunkordnung überein,
wenn der bayerische Gesetzgeber dazu beitragen will, dass Hörfunk- und Fernsehprogramme auch
insoweit möglich werden, als Marktprozesse dies allein nicht sichern. Dabei hat der Gesetzgeber von der
in der dualen Rundfunkordnung nahe liegenden Möglichkeit abgesehen, die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten
zu entsprechenden Programmangeboten zu verpflichten und dafür auch die finanziellen
Voraussetzungen zu schaffen. Motiviert er stattdessen privatwirtschaftlich finanzierte Veranstalter durch
die Aussicht auf eine gesetzlich bereitgestellte finanzielle Förderung zu entsprechenden Rundfunkangebo-
ten, muss er aber Vorsorge treffen, dass die von den Rundfunkanbietern als „Gegenleistung„ für die Zahlung
des Entgelts bereitgestellten Programme grundsätzlich den Kommunikationsinteressen aller Zahlungspflichtigen
dienen. Die Entgeltpflicht ist daher nur dann eine der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechende
Beschränkung der Handlungsfreiheit der Zahlungspflichtigen, wenn der Gesetzgeber Vorkehrungen
für hinreichende Sicherungen einer gleichgewichtigen Vielfalt in den geförderten Programmangeboten
trifft.
Diesen Anforderungen wird das bayerische Rundfunkrecht nicht in ausreichender Weise gerecht. Der
Gesetzgeber begnügt sich damit, dass die durch Zuschüsse begünstigten Programmangebote den allgemein
im bayerischen Medienrecht enthaltenen, auf die Veranstaltung und Verbreitung von privatwirtschaftlich
getragenen Programmen bezogenen Vorgaben entsprechen. Zwar wirkt die Landeszentrale
ausweislich ihrer Stellungnahme unter Nutzung der gesetzlichen und der in der Hörfunk- und Fernsehsatzung
enthaltenen Möglichkeiten auf vielfältige Programmangebote hin. Besondere Anforderungen zur
Sicherung der gleichgewichtigen Vielfalt in den geförderten Programmen sind in den zugrunde liegenden
Normen jedoch nicht vorgesehen.
2. Trotz Verfassungswidrigkeit können die angegriffenen Regelungen über das Teilnehmerentgelt noch
für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2008 angewandt werden. Auf Grund des gesetzlich normierten
Fristablaufs für die Erhebung eines Teilnehmerentgelts ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber
zuvor eine Entscheidung über die Zukunft des Teilnehmerentgelts treffen wird. Die vorgesehene Absenkung
des Teilnehmerentgelts ermöglicht es, Erfahrungen darüber zu sammeln, welchen Einfluss die Förderung
und ihr allmählicher Abbau für die betreffenden Angebote haben. Die Möglichkeit gründlicher
Evaluation entfiele, wenn die Verfassungswidrigkeit der Regelungen zum Teilnehmerentgelt zu deren
Nichtigkeit führte. Demgegenüber ist die gegenwärtige finanzielle Belastung für die Teilnehmer relativ
gering.
3. Da die angegriffenen Regelungen trotz ihrer Verfassungswidrigkeit vorerst anwendbar bleiben, ist die
auf ihrer Grundlage getroffene Entscheidung des Amtsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Pressemitteilung Nr. 118/2005 vom 2. Dezember 2005
Beschluss vom 26. Oktober 2005
1 BvR 396/98