BVerfG: Stückzahlmaßstab des Hamburgischen Spielgerätesteuergesetzes mit Gleichheitssatz nicht vereinbar

Die Vorlage betrifft die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des
Stückzahlmaßstabs für die Besteuerung von Geldgewinnspielautomaten nach
§ 4 Abs. 1 des bis zum 1. Oktober 2005 geltenden Hamburgischen
Spielgerätesteuergesetzes (SpStG). Nach dieser Vorschrift in der für
das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung beträgt der Steuersatz je
Spielgerät und Kalendermonat 600 DM. Weder die Einspielergebnisse der
Spielgeräte noch der von den Spielern getätigte Einsatz werden bei der
Bemessung der Steuer berücksichtigt.

Die Beschwerdeführerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens betrieb von
Januar 1999 bis Februar 2000 zwei Spielhallen in Hamburg, in denen
zunächst 18, später 16 automatische Spielgeräte mit
Geldgewinnmöglichkeit aufgestellt waren. Die Klägerin gab entsprechende
Spielgerätesteueranmeldungen ab und erhob jeweils gleichzeitig
Einspruch, den das im Ausgangsverfahren beklagte Finanzamt zurückwies.
Dagegen reichte die Beschwerdeführerin Klage zum Finanzgericht Hamburg
ein. Mit Beschluss vom 26. April 2005 hat das Finanzgericht Hamburg das
Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage
vorgelegt, ob § 4 Abs. 1 des Hamburgischen Spielgerätesteuergesetzes
gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts kam zu dem Ergebnis, dass
§ 4 Abs. 1 SpStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, aber nicht nichtig
ist. Der Stückzahlmaßstab führt zu einer ungleichen Belastung der
Automatenaufsteller, weil er strukturell nicht geeignet ist, den
notwendigen Bezug zum Vergnügungsaufwand der Spieler zu gewährleisten.
Während die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und
des Bundesverwaltungsgerichts den Stückzahlmaßstab noch als
verfassungsrechtlich tragfähige unbedenkliche Grundlage für die
Erhebung der Steuer ansah, lässt sich dies – wie zwischenzeitlich auch
das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof erkannt haben –
nach den nunmehr geltenden technischen Standards nicht mehr
rechtfertigen. Das Spielgerätesteuergesetz kann aber für die
Veranlagungszeiträume bis zum 1. Oktober 2005 noch angewendet werden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Gesetzgebungskompetenz der Freien und Hansestadt Hamburg für den
Erlass des Spielgerätesteuergesetzes ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2a
GG. Die hamburgische Spielgerätesteuer erfüllt als örtliche
Aufwendungssteuer die Voraussetzungen dieser Kompetenznorm; die Wahl
des Besteuerungsmaßstabs und die Frage der Abwälzbarkeit der Steuer
haben auf die Gesetzgebungskompetenz keinen Einfluss.

Die vorgelegte Norm verstößt aber gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
(Art. 3 Abs. 1 GG), weil der Stückzahlmaßstab sich als untauglich für
die Erhebung der Spielgerätesteuer erwiesen hat und so die Aufsteller
in nicht zu rechtfertigender Weise ungleich belastet. An einem Fehlen
der Abwälzbarkeit auf die Spieler scheitert die Steuer hingegen nicht.

Die Vergnügungsteuer in Form der Spielgerätesteuer knüpft an die
gewerbliche Veranstaltung von Automatenspielen an. Steuerschuldner ist
der Veranstalter des Vergnügens. Eigentliches Steuergut ist gleichwohl
der Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers, weil die
Vergnügung-steuer darauf abzielt, dessen mit der Einkommensverwendung
für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit zu belasten. Damit aber ist, wie das
Bundesverfassungsgericht schon mehrfach entschieden hat, der
individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand der sachgerechteste Maßstab
für eine derartige Steuer.

Der Gesetzgeber ist indessen von Verfassungs wegen nicht auf einen
derartigen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Der Gesetzgeber hat bei der
Erschließung einer Steuerquelle, die den Vergnügungsaufwand des
Einzelnen betrifft, weitgehende Gestaltungsfreiheit. Dies gilt
insbesondere auch für die Wahl des Besteuerungsmaßstabs. Der
gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit wird durch Art. 3 Abs. 1 GG erst
dort eine Grenze gesetzt, wo ein einleuchtender Grund für die
Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und diese daher
willkürlich wäre.

Wählt der Gesetzgeber im Vergnügungsteuerrecht statt des
Wirklichkeitsmaßstabs einen Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab, so
ist er allerdings auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten
Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich macht. Der
Rechtfertigungsbedarf für die Wahl eines Ersatzmaßstabs wird dabei umso
höher, je weiter sich der im Einzelfall gewählte Maßstab von dem
eigentlichen Belastungsgrund entfernt. Jedenfalls muss der
Ersatzmaßstab einer Spielgerätesteuer einen zumindest lockeren Bezug zu
dem Vergnügungsaufwand des Spielers aufweisen, denn der Ersatzmaßstab
nutzt den gesetzgeberischen Spielraum in Bezug auf die Realitätsnähe
der Steuerbemessung, dieser Spielraum entbindet aber nicht von der
notwendigen inhaltlichen Ausrichtung der Steuer am Belastungsgrund.

Der in § 4 Abs. 1 SpStG vorgesehene Stückzahlmaßstab überschreitet
diesen Spielraum und führt so zu einer ungleichen Belastung der
Automatenaufsteller. Er hat sich nach den Feststellungen des
vorlegenden Gerichts im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg und
auch darüber hinaus als generell untauglich erwiesen, weil er
strukturell nicht geeignet ist, den notwendigen Bezug zum
Vergnügungsaufwand der Spieler zu gewährleisten. Eine tragfähige
Rechtfertigung dafür, diesen Ersatzmaßstab gleichwohl zu verwenden,
besteht nicht mehr.

Die Anwendung des Stückzahlmaßstabs nach § 4 Abs. 1 SpStG führt zu
einer Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte. Das Halten
von Geldgewinnspielgeräten wird danach – unterschieden lediglich nach
Spielhallen und sonstigen Aufstellorten – gleich hoch besteuert,
unabhängig davon, in welchem Umfang die Nutzer der Spielgeräte an den
einzelnen Automaten im jeweiligen Besteuerungszeitraum
Vergnügungsaufwand betrieben haben. Die festgestellten
Schwankungsbreiten in den Einspielergebnissen der Gewinnspielautomaten
sind so gravierend, dass von dem für eine Vergnügungsteuer gebotenen
hinreichenden Bezug zwischen Besteuerungsmaßstab und zu besteuerndem
Vergnügungsaufwand im Geltungsbereich des Hamburgischen
Spielgerätesteuergesetzes keine Rede mehr sein kann. Bei Abweichungen
der Einspielergebnisse um mehrere hundert Prozent nicht nur in
Einzelfällen, sondern nahezu als Regelfall fehlt es an jeder
Korrelation zwischen dem – bloßen – Aufstellen von Automaten und dem
Vergnügungsaufwand der Spieler, gleich ob er nach den
Einspielergebnissen oder dem Spieleinsatz bemessen wird.

Frühere Annahmen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtfertigung der
Tauglichkeit des Stückzahlmaßstabs für die Spielgerätebesteuerung (vgl.
BVerfGE 14, 76; 31, 8), denen auch die ältere verwaltungs- und
finanzgerichtliche Rechtsprechung gefolgt war, können angesichts der
technischen und wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Bereich und der
damit einhergehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht weiter aufrecht
erhalten werden. Dies gilt insbesondere deswegen, weil seit dem 1.
Januar 1997 nur noch Geldgewinnspielgeräte mit manipulationssicherem
Zählwerk aufgestellt sein dürfen und deshalb seither der Aufwand der
Spieler hinreichend zuverlässig erfasst werden kann.

Die festgestellte Ungeeignetheit des Stückzahlmaßstabs für die Erhebung
der Spielgerätesteuer ist im Übrigen nicht den Besonderheiten der
Rechts- oder Tatsachenlage in Hamburg geschuldet, sondern bei den
derzeitigen Gegebenheiten des Spielgerätemarktes offenbar strukturell
bedingt. Der Stückzahlmaßstab ist daher als generell ungeeignet für die
Bemessung der Spielgerätesteuer anzusehen, weil er allenfalls in mehr
oder weniger zufälligen Einzelkonstellationen den nach dem Gebot der
steuerlichen Lastengleichheit geforderten, hinreichenden Bezug zwischen
der Steuerbemessung und dem Vergnügungsaufwand des Spielers
sicherzustellen vermag. So konnte in jüngerer Zeit der gebotene
zumindest lockere Bezug mit dem erhobenen Zahlenmaterial in keinem Fall
positiv belegt werden. Zudem sind die mit dem Nachweis verbundenen
Schwierigkeiten und – unterstellt, er ließe sich im Einzelfall
feststellen – die Unsicherheiten im Hinblick auf den Bestand dieses
inhaltlichen Bezugs so erheblich, dass die Verwendung eines solchen
Maßstabs weder dem Steuerpflichtigen, noch dem Steuerträger zugemutet
werden kann und auch für die Steuerverwaltung nicht praktikabel ist.

Sonstige Sachgründe, insbesondere die Praktikabilität, die Annahme
eines internen Belastungsausgleichs bei den Automatenaufstellern, die
Verfolgung von Lenkungszwecken und die Möglichkeit des Fehlens eines
anderweitigen zulässigen Maßstabs vermögen die Beibehaltung des
Stückzahlmaßstabs bei dieser Sachlage nicht zu rechtfertigen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein wirklichkeitsnäherer Maßstab
deswegen nicht zur Verfügung stünde, weil ein stärker am Aufwand der
Spieler orientierter Maßstab mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar
wäre.

Die Verfassungswidrigkeit der im Ausgangsverfahren angegriffenen
Steuererhebung folgt damit aus der Unzulässigkeit des
Stückzahlmaßstabs. Sie ergibt sich jedoch nicht zusätzlich daraus, dass
die Steuer nicht auf die Spieler abwälzbar wäre. Es reicht aus, wenn
die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf
den eigentlichen Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung
nicht in jedem Einzelfall gelingt. Anhaltspunkte dafür, dass eine
Abwälzung faktisch unmöglich wäre, sind nicht ersichtlich. Vielmehr
blieb den Unternehmern auch unter der Geltung von § 4 Abs. 1 SpStG die
Möglichkeit, etwa durch die Auswahl geeigneter Standorte sowie durch
eine entsprechende Gestaltung und Ausstattung der Spielhallen auf eine
Umsatzsteigerung hinzuwirken und die Selbstkosten auf das unbedingt
erforderliche Maß zu beschränken, um nicht nur die Steuer, sondern auch
noch einen Gewinn erwirtschaften zu können.

Die Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 1 SpStG führt nicht zu dessen
Nichtigkeit. Es verbleibt vielmehr bei der Feststellung der
Unvereinbarkeit der Vorschrift mit Art. 3 Abs. 1 GG. Die
Spielgerätesteuer kann mit dem Stückzahlmaßstab des § 4 Abs. 1 SpStG
noch für eine Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des
Spielvergnügungsteuergesetzes in Hamburg am 1. Oktober 2005 erhoben
werden.

Pressemitteilung Nr. 45/2009 vom 28. April 2009

Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 –