Das in Bayern bestehende staatliche Wettmonopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit
unvereinbar, weil es in einer Art und Weise ausgestaltet ist, die eine effektive Suchtbekämpfung,
die den Ausschluss privater Veranstalter rechtfertigen könnte, nicht sicherstellt. Allerdings führt dies nicht
zur Nichtigkeit der angegriffenen Rechtslage. Vielmehr ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten,
den Bereich der Sportwetten bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln. Ein verfassungsmäßiger Zustand
kann sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die sicherstellt,
dass es wirklich der Suchtbekämpfung dient, als auch durch eine gesetzlich normierte und
kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltung durch private Wettunternehmen. Will er an einem
staatlichen Wettmonopol festhalten, muss er dieses konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht
und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausrichten. Eine Neuregelung kommt dabei grundsätzlich sowohl
durch den Bundes- wie den Landesgesetzgeber in Betracht. Während der Übergangszeit bis zu
einer gesetzlichen Neuregelung darf das Staatslotteriegesetz weiter angewandt werden. Das gewerbliche
Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom
Freistaat Bayern veranstaltet werden, dürfen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich
unterbunden werden. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 28.
März 2006 auf die Verfassungsbeschwerde einer Buchmacherin aus München hin (zum Sachverhalt vgl.
Pressemitteilung Nr. 96/2005 vom 10. Oktober 2005).
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Das in Bayern bestehende staatliche Wettmonopol für Sportwetten ist in seiner gegenwärtigen gesetzlichen
und tatsächlichen Ausgestaltung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar. Den
an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern ist der Ausschluss gewerblicher Wettangebote
durch private Wettunternehmen nur dann zumutbar, wenn das bestehende Wettmonopol
auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem
Spielverhalten dient. Das Staatslotteriegesetz enthält jedoch keine entsprechenden materiellrechtlichen
Regelungen und strukturellen Sicherungen, die dies hinreichend gewährleisten.
a) Dem staatlichen Wettmonopol liegen legitime Gemeinwohlziele (Bekämpfung der Spiel- und
Wettsucht; Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter;
Schutz vor irreführender Werbung) zugrunde. Allerdings scheiden fiskalische Interessen des
Staates als solche zur Rechtfertigung der Errichtung eines Wettmonopols aus. Eine Abschöpfung
von Mitteln aus dem Glücksspiel für Gemeinwohlzwecke ist nur als Weg zur Suchtbekämpfung
und als Konsequenz aus einem öffentlichen Monopolsystem gerechtfertigt, nicht dagegen
als selbständiges Ziel. Die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols stellt
auch ein geeignetes Mittel dar, die mit dem Wetten verbundenen Gefahren zu bekämpfen. Nicht
zu beanstanden ist die Annahme des Gesetzgebers, dass eine Marktöffnung zu einer erheblichen
Ausweitung von Wettangeboten und diese Ausweitung auch zu einer Zunahme von suchtbeeinflusstem
Verhalten führen würde. Der Gesetzgeber durfte auch von der Erforderlichkeit eines
Wettmonopols ausgehen. Insbesondere hinsichtlich der Suchtgefahren durfte er angesichts seines
weiten Beurteilungsspielraums davon ausgehen, dass sie mit Hilfe eines auf die Bekämpfung
von Sucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Wettmonopols mit staatlich verantwortetem
Wettangebot effektiver beherrscht werden können als im Wege einer Kontrolle
privater Wettunternehmen.
b) Das in Bayern errichtete staatliche Wettmonopol stellt jedoch in seiner gegenwärtigen gesetzlichen
und tatsächlichen Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar,
weil es in einer Weise ausgestaltet ist, die eine effektive Suchtbekämpfung nicht sicherstellt. Das
Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren ist allein durch ein staatliches Wettmonopol noch nicht gesichert. Ein Monopol kann auch fiskalischen Interessen des Staates dienen und damit in ein
Spannungsverhältnis zur Zielsetzung geraten. Eine konsequente und wirkliche Ausrichtung des
Wettmonopols an der Bekämpfung und Begrenzung von Wettsucht und problematischem
Spielverhalten muss sich daher in der rechtlichen wie tatsächlichen Ausgestaltung des Wettmonopols
positiv ausdrücken.
Die gegenwärtige rechtliche Ausgestaltung des Wettmonopols gewährleistet nicht hinreichend,
dass das staatliche Wettangebot konsequent in den Dienst einer aktiven Suchtbekämpfung und
der Begrenzung der Wettleidenschaft gestellt ist und ein Konflikt mit fiskalischen Interessen des
Staates nicht zu Gunsten dieser ausgeht. Das Staatslotteriegesetz enthält nahezu ausschließlich
Bestimmungen zur Zuständigkeit und Organisation. Das verwaltungsrechtliche Regelungsdefizit
wird nicht durch den von sämtlichen Ländern ratifizierten Lotteriestaatsvertrag ausgeglichen.
Zwar ist hierin bestimmt, dass die Veranstaltung, Durchführung und gewerbliche Vermittlung
von öffentlichen Glücksspielen den Erfordernissen des Jugendschutzes nicht zuwiderlaufen und
Werbemaßnahmen nicht irreführend und unangemessen sein dürfen sowie dass seitens der Veranstalter,
Durchführer und gewerblichen Spielvermittler Informationen über Spielsucht, Prävention
und Behandlungsmöglichkeiten bereitzuhalten sind. Dies gewährleistet jedoch allein noch
nicht eine Begleitung des Wettangebots durch aktive Maßnahmen zur Suchtbekämpfung.
c) Dieses Regelungsdefizit spiegelt sich darin wider, dass auch tatsächlich eine konsequente Ausrichtung
der durch den Freistaat Bayern veranstalteten Wetten am Ziel der Bekämpfung der
Suchtgefahren gegenwärtig nicht gegeben ist. Die Veranstaltung der Sportwette ODDSET verfolgt
erkennbar auch fiskalische Zwecke. Vor allem aber ist der Vertrieb nicht aktiv an einer
Bekämpfung der Suchtgefahren ausgerichtet. Das tatsächliche Erscheinungsbild entspricht vielmehr
dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung.
Dies zeigt eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozialadäquate,
wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wird. Ebenso wenig sind die
Vertriebswege für ODDSET auf eine Bekämpfung der Suchtgefahren angelegt. Durch das breit
gefächerte Netz von Lotto-Annahmestellen wird die Möglichkeit zum Sportwetten zu einem allerorts
verfügbaren „normalen„ Gut des täglichen Lebens. Schließlich ist auch die Präsentation des Wettangebots nicht ausreichend am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung
der Wettleidenschaft ausgerichtet. Die Staatliche Lotterieverwaltung beschränkt sich auf
die Bereithaltung von Informationen zu Spielsucht, Prävention und Behandlungsmöglichkeiten,
ohne darüber hinaus eine aktive Suchtprävention zu betreiben.
2. Die Unverhältnismäßigkeit der konkreten tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung des in Bayern
bestehenden staatlichen Wettmonopols erfasst auch den Ausschluss der Vermittlung anderer als der
vom Freistaat Bayern veranstalteten Wetten.
3. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich gehalten, den Bereich der Sportwetten unter Ausübung
seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums neu zu regeln. Ein verfassungsmäßiger Zustand kann
sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die sicherstellt,
dass es wirklich der Suchtbekämpfung dient, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte
Zulassung gewerblicher Veranstaltung durch private Wettunternehmen. Will der Gesetzgeber
an einem staatlichen Wettmonopol festhalten, muss er dieses konsequent am Ziel der Bekämpfung
von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausrichten. Zu den erforderlichen Regelungen
gehören inhaltliche Kriterien hinsichtlich Art und Zuschnitt der Sportwetten sowie Vorgaben zur
Beschränkung ihrer Vermarktung. Die Werbung für das Wettangebot hat sich zur Vermeidung eines
Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Wettmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information
und Aufklärung über die Möglichkeit zum Wetten zu beschränken. Geboten sind auch
Maßnahmen zur Abwehr von Suchtgefahren, die über das bloße Bereithalten von Informationsmaterial
hinausgehen. Die Vertriebswege sind so auszuwählen und einzurichten, dass Möglichkeiten zur
Realisierung des Spieler- und Jugendschutzes genutzt werden. Schließlich hat der Gesetzgeber die
Einhaltung dieser Anforderungen durch geeignete Kontrollinstanzen sicherzustellen, die eine ausreichende
Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates aufweisen. Eine Neuregelung kommt dabei
grundsätzlich sowohl durch den Bundes- wie den Landesgesetzgeber in Betracht. Für die Neureglung
ist eine Frist bis zum 31. Dezember 2007 angemessen. Während der Übergangszeit bis zu
einer gesetzlichen Neuregelung bleibt die bisherige Rechtslage anwendbar. Das gewerbliche Veranstalten
von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom
Freistaat Bayern veranstaltet werden, dürfen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrecht-
lich unterbunden werden. Ob in der Übergangszeit eine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben ist,
unterliegt der Entscheidung der Strafgerichte. Auch in der Übergangszeit muss allerdings bereits damit
begonnen werden, das bestehende Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht
und einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten.
Nr. 25/2006 vom 28. März 2006
Urteil vom 28. März 2006
1 BvR 1054/01