Diese Neubewertung wirkt sich für die gesetzlich Versicherten auf ganz
unterschiedliche Weise aus. Bei Versicherten, die durchgängig eine
versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt haben, führt sie nur zu einer
verhältnismäßig geringen Kürzung der in Frage stehenden
Rentenanwartschaft der ersten Berufsjahre. Besonders beschwert sind
dagegen solche Personen, die nach der Berufsausbildung einige Jahre
versicherungspflichtig beschäftigt waren, wegen eines Wechsels in die
Selbständigkeit aber der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr
angehören oder nur noch Mindestbeiträge zahlen, um sich bestimmte
rentenrechtliche Vorteile zu erhalten.
Auf eine Vorlage des Bundessozialgerichts hin hat sich der Erste Senat
des Bundesverfassungsgerichts mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der
Vorschrift – beschränkt auf den letztgenannten Personenkreis – befasst
und festgestellt, dass die Minderung der rentenrechtlichen Bewertung der
ersten Berufsjahre durch das Wachstums- und
Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996 verfassungsgemäß ist.
Insbesondere verletzt die gesetzliche Regelung nicht die
Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz für Rentenanwartschaften
schließt deren Umgestaltung durch eine Änderung des
Rentenversicherungsrechts nicht schlechthin aus. Entgegen der Auffassung
des Bundessozialgerichts sind dabei auch Eingriffe in die Anwartschaften
von Versicherten verfassungsrechtlich zulässig, die bei In-Kraft-Treten
der Neuregelung das 55. Lebensjahr vollendet haben. Der
Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG kann nicht entnommen werden,
dass rentenrechtliche Anwartschaften allein aufgrund eines bestimmten
Lebensalters des Versicherten einen gesteigerten verfassungsrechtlichen
Bestandsschutz gegenüber wertmindernden Eingriffen durch den Gesetzgeber
aufweisen.
Der in der gesetzlichen Regelung liegende Eingriff in die Anwartschaft
ist durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Die wirtschaftliche
Situation der Rentenversicherungsträger war in der ersten Hälfte der
1990er Jahre durch einen massiven Anstieg der Ausgaben gekennzeichnet,
denen kein ausreichendes Beitragsaufkommen gegenüberstand. Der
Gesetzgeber durfte die nachteiligen Folgen dieser Situation für
Beitragszahler, Wirtschaft und Arbeitsmarkt als gewichtig bewerten und
Maßnahmen ergreifen, um das Ausgabenvolumen der gesetzlichen
Rentenversicherung zu begrenzen. Der Eingriff ist auch verhältnismäßig.
Maßgeblich für die Höhe des mit der Neuregelung einhergehenden
Wertverlustes sind (bezogen auf den in Frage stehenden Personenkreis)
die Versicherungslücken des Versicherten. Diese sind dessen Sphäre
zuzuordnen; der Versicherte kann in der Regel selbst entscheiden, ob und
in welcher Höhe er nach Beendigung seiner versicherungspflichtigen
Beschäftigung freiwillige Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung
zur Schließung versicherungsbiografischer Lücken leistet. Ihm muss dabei
bewusst sein, dass niedrige freiwillige Beiträge und ganz besonders
Versicherungslücken grundsätzlich unabhängig von der Frage der Bewertung
der ersten Berufsjahre zu einer niedrigeren gesetzlichen Rente führen
und er daher auf eine ergänzende private oder anderweitige Vorsorge
verwiesen ist. Diese Vorsorge ist den Betroffenen aufgrund der
„ersparten„ Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auch
grundsätzlich zumutbar. Der Gesetzgeber durfte daher davon ausgehen,
dass Versicherte mit hohen, selbst verantworteten Versicherungslücken
regelmäßig über eine ausreichende ergänzende Altersvorsorge verfügen.
Pressemitteilung Nr. 33/2007 vom 27. März 2007
Zum Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 BvL 10/00 –