BVerfG: Regelung über Pflichtbeitrag zum Solidarfonds Abfallrückführung nichtig

Die Verfassungsbeschwerden von 13 Abfallexporteuren, die sich gegen die Erhebung eines Pflichtbeitrags
zum Solidarfonds Abfallrückführung gewandt hatten, waren erfolgreich. Der Solidarfonds war
1994 durch das Abfallverbringungsgesetz eingeführt worden. Abfallexporteure waren verpflichtet, Mitgliedsbeiträge
in den Fonds einzuzahlen. Die Beiträge dienten dazu, die staatliche Rückführung illegaler
Abfallexporte zu finanzieren, wenn auf den Exporteur nicht zurückgegriffen werden konnte (vgl. Pressemitteilung
Nr. 115/2004 vom 22. Dezember 2004). Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts
erklärte mit Urteil vom 6. Juli 2005 die Regelung des Abfallverbringungsgesetzes zum Solidarfonds für
nichtig. Die Abfallausfuhrabgabe stelle eine unzulässige Sonderabgabe dar. Den abgabepflichtigen Abfallexporteuren
werde ohne besonderen sachlichen Grund die Finanzierungsverantwortung für das Fehlverhalten
Dritter zugerechnet.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Abgabepflicht gem. § 8 Abfallverbringungsgesetz (im Folgenden: Abfallausfuhrabgabe) verletzt die
Berufsfreiheit der Beschwerdeführer; denn die Abgabe verstößt als unzulässige Sonderabgabe gegen die
Finanzverfassung des Grundgesetzes.

1. Die Abfallausfuhrabgabe ist keine Steuer, sondern eine nichtsteuerliche Abgabe; denn sie dient nicht
der Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines Gemeinwesens, sondern ausschließlich
der Deckung der Leistungen und Verwaltungskosten des Solidarfonds Abfallrückführung.

2. Nichtsteuerliche Abgaben bedürfen einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Die Finanzverfassung
des Grundgesetzes (Art. 104 a ff. GG) verlöre ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen
von Bund und Ländern beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der
finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer
Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde.

a) Die Abfallausfuhrabgabe kann nicht als Gebühr oder Beitrag gerechtfertigt werden; denn sie dient
nicht dem Ausgleich öffentlicher Leistungen, die den Abgabepflichtigen individuell zurechenbar sind. Die
Vertragsstaaten des Basler Übereinkommens haben eine Garantenstellung für die Rückführung fehlgeschlagener
Abfallexporte übernommen. Bei den hiermit verbundenen Kosten handelt es sich um Folgekosten
grenzüberschreitender Kooperation der beteiligten Staaten im Interesse des Umweltschutzes, die
in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit geschuldet sind. Hinzu kommt, dass die Fondszahlungen
den Abgabepflichtigen auch keine potentiellen Vorteile bringen, da sie ihrerseits für jede notifizierungsbedürftige
Verbringung von Abfällen Sicherheit zu leisten haben, die im Fall der Rückführung in Anspruch
genommen werden darf. Die Zahlungen des Fonds entlasten daher allein den für die Rückführung
illegaler Transporte gewährleistungspflichtigen Staat.

b) Eine Rechtfertigung als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion scheidet ebenfalls aus. Sonderabgaben
unterliegen engen Grenzen und müssen gegenüber den Steuern seltene Ausnahmen bleiben. Besondere
Sachnähe der Abgabepflichtigen zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck und daraus
folgende Finanzierungsverantwortlichkeit sowie die Gruppennützigkeit der Abgabenverwendung bilden
den entscheidenden Rechtfertigungsgrund für eine zu der Gemeinlast der Steuern hinzutretende Sonderlast.
In der Sache bedeutet die finanzielle Inpflichtnahme der notifizierenden Personen die Zurechnung einer
Finanzierungsverantwortung für die Folgen fremden Fehlverhaltens. Nur in den Fällen, in denen Abfallexporte
nicht notifiziert werden (das betreffende Unternehmen also auch keine Sicherheitsleistung für den
potentiellen Rücktransport erbracht hat), bekommt die Garantenstellung des Staates praktische Bedeutung.
Insoweit ist aber eine spezifische Sachnähe der Abgabepflichtigen zu den primär umweltpolitischen
Zielsetzungen des Abfallverbringungsgesetzes zu verneinen; denn es handelt sich um die Erfüllung völkerrechtlich
und gemeinschaftsrechtlich begründeter Pflichten im Interesse eines wirksamen Umweltschutzes,
für deren Zurechnung zur Verantwortungssphäre der besonderen Gruppe der Abgabepflichtigen
statt zu jener der Allgemeinheit der Steuerpflichtigen sachliche Gründe von besonderem Gewicht nicht zu
erkennen sind.

Urteil vom 6. Juli 2005 – 2 BvR 2335/95 und 2 BvR 2391/95 –

Karlsruhe, den 6. Juli 2005