Die beiden im Jahr 2002 in Deutschland geborenen Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von
Serbien und Montenegro. Die von ihren jeweiligen Eltern durchgeführten Asylverfahren sind
bestandskräftig negativ abgeschlossen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte auch
die Asylanträge der Beschwerdeführer ab und forderte unter Androhung der Abschiebung zur
Im fachgerichtlichen Verfahren war umstritten, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen
war, dass Asylanträge für die Beschwerdeführer gemäß § 14 a Asylverfahrensgesetz als gestellt
zu gelten hatten. Die hier maßgeblichen Teile des § 14 a Asylverfahrensgesetz lauten wie folgt:
“Reist ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind des Ausländers nach dessen Asylantragstellung ins
Bundesgebiet ein oder wird es hier geboren, so ist dies dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen,
wenn ein Elternteil eine Aufenthaltsgestattung besitzt oder sich nach Abschluss seines Asylverfahrens
ohne Aufenthaltstitel oder mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 des
Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet aufhält. (…) Mit Zugang der Anzeige beim Bundesamt gilt
ein Asylantrag für das Kind als gestellt.” Die Fiktion der Antragstellung soll verhindern, dass
durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche
Perspektive für die Betroffenen entstehen. Da die Bestimmung erst mit dem Zuwanderungsgesetz
am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, stellte sich die Frage, ob sie auch für
die bereits im Jahr 2002 im Bundesgebiet geborenen Beschwerdeführer anzuwenden war.
Auf ihre Klage hin gewährte das Verwaltungsgericht den Beschwerdeführern Eilrechtsschutz. Ihr
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren hingegen wurde
mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden waren
vor der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts erfolgreich.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gebietet eine weitgehende Angleichung
der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Dies
schließt es nicht aus, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die
beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht
dürfen dabei jedoch nicht überspannt werden.
Zwar muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche
Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewährung
kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt
sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf von
bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellte Auslegungshilfen ohne Schwierigkeiten beantwortet
werden kann (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht
eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider,
dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe
vorzuenthalten (vgl. BVerfG, a.a.O.). Denn dadurch würde der unbemittelten Partei im Gegensatz
zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren
darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen
Danach hat das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Klagen überspannt.
Die entscheidungserhebliche Frage, ob § 14 a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz auch auf
vor dem 1. Januar 2005 geborene oder eingereiste Kinder Anwendung findet, war zum damaligen
Zeitpunkt weder in der Rechtsprechung des zuständigen Obergerichts noch gar in der des Bundesverwaltungsgerichts
geklärt und konnte, wie sich in der ausgeprägten Uneinheitlichkeit der
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zeigt, nicht als einfach und eindeutig beantwortbar
erachtet werden. Den Eilanträgen der Beschwerdeführer hat das Verwaltungsgericht denn auch
mit der Begründung stattgegeben, der zeitliche Anwendungsbereich des § 14 a Asylverfahrensgesetz
müsse einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die gleichzeitige
Verweigerung von Prozesskostenhilfe für eben diese Hauptsacheverfahren ist nicht nachvollziehbar. Sie verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Rechtsschutzgleichheit.
Nr. 60/2006 vom 5. Juli 2006
Beschluss vom 14. Juni 2006
2 BvR 626/06; 2 BvR 656/06