BVerfG: Keine Sonderversorgung ehemaliger Angehöriger der Deutschen Reichsbahn

Ehemalige Angehörige der Deutschen Reichsbahn der DDR haben keinen
Anspruch auf zusätzliche Rentenleistungen. Die 3. Kammer des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts nahm die Verfassungsbeschwerden von
zwei ehemaligen Mitarbeitern der Deutschen Reichsbahn, die sich gegen
die Beschränkung des rentenrechtlich zu berücksichtigenden
Arbeitseinkommens bei der „alten Versorgung„ und den Wegfall des
besonderen Steigerungsbetrags richteten, in Fortführung der
Senatsrechtsprechung (Beschluss vom 11. Mai 2005, 1 BvR 368/97 u.a.;
Pressemitteilung Nr. 44/2005 vom 25. Mai 2005) nicht zur Entscheidung an.

Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:

Im Alterssicherungssystem der DDR gab es seit 1956 für Angehörige der
Deutschen Reichsbahn eine besondere Form der Altersversorgung, deren
Leistungen über die der Sozialpflichtversicherung hinausgingen. Durch
diese Regelung wurde die ansonsten in der Sozialpflichtversicherung der
DDR geltende starre Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark im Monat für
die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn im Ergebnis außer Kraft gesetzt.
Nach der Einführung der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung wurde 1973
die Altersversorgung der Angehörigen der Deutschen Reichsbahn in die
allgemeine Sozialversicherung einbezogen. Den Beschäftigten blieb die
vor 1974 erworbene Anwartschaft auf Altersversorgung nach der früheren
Rechtslage („alte Versorgung„) auch ohne Beitritt zur Freiwilligen
Zusatzrentenversicherung erhalten. Für Beschäftigte, die die
Voraussetzungen für eine „alte Versorgung„ nicht erfüllten, war bei der
Rentenberechnung ein besonderer Steigerungsbetrag von 1,5 v. H. anstelle
des allgemein üblichen Steigerungsbetrags von 1,0 v. H. vorgesehen. Dies
wirkte sich bei einem durchschnittlichen Versicherungsverlauf in einer
rund 28 v.H. höheren Rente aus.

Im Zuge der Wiedervereinigung wurde die besondere Eisenbahnerversorgung
beendet. Erworbene Anwartschaften und Ansprüche wurden in das 6. Buch
des Sozialgesetzbuchs überführt. Dabei wurde der „alten Versorgung„
insoweit Rechnung getragen, als über die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark im Monat hinaus ein monatliches
Einkommen von 1.250 Mark der Rentenberechnung zugrunde gelegt wurde. Der
besondere Steigerungsbetrag blieb dagegen unberücksichtigt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung
angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Selbst wenn man die Anwartschaften und Ansprüche aus der „alten
Versorgung„ der Angehörigen der Reichsbahn dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG zuordnet, hat sich der
Gesetzgeber bei der Aus– und Umgestaltung rentenrechtlicher Positionen
aus der DDR im verfassungsrechtlichen Rahmen bewegt. Er war danach nicht
gehalten, besondere Versorgungsformen im gesamtdeutschen Rechtsraum
fortzusetzen. Einem durch die Zusage einer „alten Versorgung„ gewährten
Schutz hat er dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er eine
Versicherung von Arbeitsentgelten über 600 Mark insoweit ermöglich hat,
als sie der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung entsprachen.

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die so auf ein
Monatseinkommen von 1.250 Mark festgelegte Grenze. Die Betroffenen
können nicht verlangen, von der Beachtung der Beitragsbemessungsgrenze
freigestellt zu werden. Hinsichtlich des besonderen Steigerungsbetrags
konnte bei den Betroffenen kein verfassungsrechtlich geschütztes
Vertrauen entstehen, weil er schon zu DDR-Zeiten lediglich bestimmten
Berufsgruppen zugute kam.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt
ebenfalls nicht vor: Gegenüber anderen Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten, auf die das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz Anwendung findet, liegt keine
Ungleichbehandlung vor, da auch dort eine Begrenzung des zu
berücksichtigenden Einkommens stattfindet. Zudem hatten Angehörige der
Deutschen Reichsbahn als Bestandsrentner an den erheblichen
Sonderanpassungen der Renten in den Jahren 1990 und 1991 teilgenommen.
Ein Vergleich mit Pensionären und Rentnern der Deutschen Bundesbahn
kommt nicht in Betracht, da der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, die
Betroffenen so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiografie in der
Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt. Die vergleichsweise niedrigeren
Durchschnittsverdienste in der DDR sind rentenrechtlich bereits höher
gewertet worden.

Beschluss vom 30. August 2005 – 1 BvR 616/99, 1 BvR 1028/03 –

Karlsruhe, den 11. Oktober 2005