BVerfG: Keine Ballungsraumzulage für Beamte zum Ausgleich der erhöhten Lebenshaltungskosten in München

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Urteil vom 6.
März 2007 die Verfassungsbeschwerde eines Beamten, der die Gewährung
einer „Ballungsraumzulage„ zum Ausgleich der erhöhten

Lebenshaltungskosten in München begehrt, zurückgewiesen. Weder das
Alimentationsprinzip noch der Leistungsgrundsatz verpflichteten den
Besoldungsgeber in der gegenwärtigen Lage, erhöhten Lebenshaltungskosten
in München durch einen spezifischen Ausgleich Rechnung zu tragen.

Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 102/2006 vom 30. Oktober 2006.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Es existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums,

der den Gesetzgeber verpflichtete, bei der Festsetzung der Bezüge

einen spezifischen Ausgleich für regional erhöhte

Lebenshaltungskosten zu gewähren. Geschützt sind nur diejenigen

Regelungen, die das Bild des Beamtentums in seiner überkommenen

Gestalt maßgeblich prägen, so dass ihre Beseitigung auch das Wesen

des Beamtentums antasten würde. Zu diesem Kernbestand von

Strukturprinzipien gehören unter anderem das Alimentationsprinzip

und der Leistungsgrundsatz. Dem Ortszulagensystem der

Beamtenbesoldung kommt dagegen kein in diesem Sinne wesensprägender

Charakter zu. Bei der Ausgestaltung der Zulagen zur

Beamtenbesoldung handelt es sich um eine Detailregelung, die keinen

zwingenden Bezug zur Angemessenheit der Alimentation aufweist. Für

diese sind vielmehr die Nettobezüge maßgeblich, mithin das, was

sich der Beamte von seinem Gehalt tatsächlich leisten kann. Hierfür

ist nicht entscheidend, ob die Bezüge aus dem Grundgehalt, aus

Grundgehalt und Ortszulage oder aus anderen Komponenten bestehen.

Sieht der Gesetzgeber keinen gesonderten Ausgleich für die örtlich

bedingten Lebenshaltungskosten vor, so kann dies im Hinblick auf

die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht

missbilligt werden, wenn sich die Bezüge gleichwohl auch in

Ballungsräumen noch als angemessen erweisen und damit der

Alimentierungspflicht Rechnung getragen wird.

II. Der Besoldungsgesetzgeber ist durch das Alimentationsprinzip

gegenwärtig nicht verpflichtet, erhöhte Lebenshaltungskosten in

München durch einen spezifischen Ausgleich abzufedern.

Das Alimentationsprinzip gehört zu den verfassungsrechtlich

gewährleisteten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Der Beamte muss

über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine rechtliche und

wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm

über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen seinem Amt

angemessenen Lebenskomfort ermöglicht. Die wirtschaftlichen und

finanziellen Verhältnisse unterscheiden sich regional teilweise

erheblich, so dass unterschiedliche Nettobeträge erforderlich sein

können, damit die Beamten in der Lage sind, sich in der

Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche zu leisten. Es verletzt

das Alimentationsprinzip daher nicht, wenn bei der Bemessung der

Bezüge von Beamten, die das gleiche Amt innehaben, an Wohnsitz oder

Dienstort anknüpfende Abstufungen vorgesehen werden, sofern sich

solche regionalen Unterscheidungen nach Anlass und Ausmaß der

Differenzierung vor dem Gleichheitssatz rechtfertigen lassen.

Welche Alimentation angemessen ist, bedarf allerdings der

Konkretisierung durch den Gesetzgeber und ist von den jeweiligen

Verhältnissen abhängig.

Es ist nicht zu beanstanden, dass es der Gesetzgeber unterlassen

hat, einen spezifischen Ausgleich für in Ballungsräumen erhöhte

Lebenshaltungskosten vorzusehen. Die in bestimmten Ballungsräumen

vergleichsweise hohen Preise spiegeln die dortige Lebensqualität

wider. Sie bringen unter anderem zum Ausdruck, dass ein Leben in

dem betreffenden Standort von einer Vielzahl von Menschen als

attraktiv bewertet wird. Zwar trifft es zu, dass Bezieher niedriger

und mittlerer Einkommen von Teilen dessen, was die Attraktivität

des Lebens an Orten mit hohem Preisniveau ausmacht, gerade aus

Kostengründen nicht oder nur eingeschränkt profitieren können. Auch

wenn berücksichtigt wird, dass etwa Teile des kulturellen Angebots,

gehobene Einkaufsmöglichkeiten und innerstädtische Wohnungen nur

von Personen mit höherem Einkommen intensiv oder überhaupt genutzt

werden können, ist die Einschätzung nicht offensichtlich verfehlt,

dass auch für Bezieher niedrigerer Einkommen den höheren

Lebenshaltungskosten Vorteile gegenüberstehen, die dagegen

sprechen, die geringere Kaufkraft des Beamtengehalts in diesen

Räumen ohne weiteres mit einem entsprechend geringeren

Lebensstandard gleichzusetzen. Als Beispiele seien nur die in

Ballungsräumen reichhaltigeren Bildungsangebote und medizinischen

Versorgungsmöglichkeiten, vielfältigere Freizeit- und

Unterhaltungsangebote auch in den niedrigeren Preissegmenten oder

ortsspezifische Vorteile wie die Nähe zu attraktiven

Erholungsgebieten genannt. Hinzu kommt, dass für die

Amtsangemessenheit der Besoldung eines Beamten nicht allein der

Vergleich zum Lebensstandard von Beamten in kostengünstigeren

Regionen ausschlaggebend ist. Die Amtsangemessenheit der

Alimentation des Beamten bestimmt sich auch durch ihr Verhältnis zu

den Einkommen, die für vergleichbare und auf der Grundlage

vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des

öffentlichen Dienstes erzielt werden. Es ist indes nicht dargetan,

dass Beamte wie der Beschwerdeführer gegenüber vergleichbaren

Erwerbstätigen außerhalb des öffentlichen Dienstes in einem Umfang

benachteiligt würden, dass deshalb die Alimentation in München und

Umgebung nicht mehr als „standesgemäß„ angesehen werden könnte.

Es ist allerdings Aufgabe des Gesetzgebers, die tatsächliche

Entwicklung der Lebenshaltungskosten auf relevante Unterschiede

zwischen Stadt und Land zu beobachten, um möglichen Verstößen gegen

den Alimentationsgrundsatz angemessen begegnen zu können.

III. Eine Handlungspflicht des Gesetzgebers ergibt sich auch nicht aus
dem Leistungsgrundsatz. Da die Bezüge so zu bemessen sind, dass sie

dem Beamten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung

seines jeweiligen Amtes entspricht, muss sich die Stufung der Ämter

auch in der Realität wieder finden. Dies besagt aber nicht, dass

die realen Lebensverhältnisse eines Beamten der Besoldungsgruppe A

13 in München mit denen eines Beamten der Besoldungsgruppe A 12

oder A 11 an einem anderen Ort zu vergleichen wären. Einem

Vergleich zugänglich sind insoweit allein die Beamten der

verschiedenen Besoldungsgruppen am selben Ort. Der Gesetzgeber geht

zulässigerweise davon aus, dass die Beamten den unterschiedlichen

Lebensverhältnissen in München und an Orten außerhalb dieses

Ballungsraums durch entsprechende Lebensgestaltung Rechnung tragen.

Pressemitteilung Nr. 25/2007 vom 6. März 2007

Zum Urteil vom 6. März 2007 – 2 BvR 556/04 –