Wegen der Einzelheiten des dem Normenkontroll-Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalts wird auf die Pressemitteilung Nr. 26/2004 vom 12. März 2004 verwiesen.
In den Entscheidungsgründen heißt es: 1. Das Fünfte Änderungsgesetz wird den Anforderungen des Grundgesetzes an ein Rahmengesetz nicht gerecht. Die
Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes ist in vierfacher Weise begrenzt. a) Nach Art. 75 GG ist der Bund obligatorisch auf einen Rahmen beschränkt. Die Rahmengesetzgebung
des Bundes ist auf inhaltliche Konkretisierung und Gestaltung durch die Länder angelegt. Den Ländern muss ein eigener Bereich politischer Gestaltung von substantiellem
Gewicht bleiben. Rahmenvorschriften richten sich in erster Linie an den Landesgesetzgeber. Ihm muss ein normativer Spielraum verbleiben. Eine Vollregelung eines unter die
Rahmengesetzgebung fallenden Sachbereichs ist ausgeschlossen. b) Detailregelungen und unmittelbar geltende Vorschriften in einem Rahmengesetz lässt das Grundgesetz nur in
begründeten Ausnahmefällen zu. Mit dem im Jahr 1994 eingefügten Art. 75 Abs. 2 GG begrenzte der verfassungsändernde Gesetzgeber die Rahmenkompetenz des Bundes, um den
kooperativen Charakter der Rahmengesetzgebungskompetenz wieder stärker zu betonen. Eine in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelung muss deshalb deutlicher
als bisher in der Reichweite begrenzt sein, wenn der Rahmencharakter des Bundesgesetzes gewahrt bleiben soll. Ein Ausnahmefall im Sinne von Art. 75 Abs. 2 GG liegt vor, wenn
die Rahmenvorschriften ohne die in Einzelheiten gehenden oder unmittelbar geltenden Regelungen verständi-gerweise nicht erlassen werden könnten, diese also schlechthin
unerlässlich sind. c) Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes ist weiter durch die Erforderlichkeit der bundesgesetzlichen Regelung begrenzt. Art. 72 Abs. 2 GG bindet
die Gesetzgebungskompetenz des Bundes an bestimmte materielle Voraussetzungen. Eine bundesgesetzliche Regelung ist danach nur insoweit erforderlich, als ohne sie
gleichwertige Lebensverhältnisse nicht hergestellt oder die im gesamtstaatlichen Interesse stehende Rechts- oder Wirtschaftseinheit nicht gewahrt werden können. Die Frage
der Erforderlichkeit der Gesetzgebung des Bundes unterliegt verfassungsgerichtlicher Kontrolle und wurde vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 24.
Oktober 2002 (Pressemitteilung Nr. 94/2002 vom 24. Oktober 2002) näher konkretisiert. d) Zusätzlich begrenzt Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG die Rahmenkompetenz des Bundes für
das Hochschulwesen auf allgemeine Grundsätze. Der Bund muss gegenüber den anderen Rahmenkompetenzen ein Weniger an Normierungsbefugnis in Kauf nehmen. 2. Diesem
verfassungsrechtlichen Maßstab wird die Konzeption des Fünften Änderungsgesetzes nicht gerecht. Für das angefochtene Gesetz ist Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG mit
seinen strengeren Voraussetzungen die einschlägige Kompetenzgrundlage. Die angestrebte Neugestaltung der Personalstruktur betrifft mit den Regelungen über die
Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Gruppenhomogenität in der akademischen Selbstverwaltung, die Möglichkeit von Hausberufungen und über das Verfahren,
die wissenschaftliche und pädagogische Eignung des Lehrpersonals festzustellen, in elementarer Weise die Ordnung und den inneren Aufbau der Hochschulen. Das Dienstrecht
erweist sich für den Bundesgesetzgeber als Mittel, um die personelle Organisation der Hochschulen und damit das Hochschulwesen insgesamt grundlegend umzugestalten. Das
Kernstück des Reformgesetzes, die Regelungen für die Qualifikation und Berufung von Professoren, überschreitet den bundesgesetzlich zulässigen Rahmen für das
Hochschulwesen. Den Ländern ist es aufgrund der Regelungsdichte dieser Vorschriften versagt, diesen zentralen Bereich des Hochschulwesens eigenständig auszugestalten. Der
Bundesgesetzgeber hat die Zugangsvoraussetzungen für eine Professur umfassend und abschließend bestimmt. Die Juniorprofessur wird nach der Neuregelung als
Regeleinstellungsvoraussetzung definiert; gleichzeitig wird festgelegt, dass die zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen nicht Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein
sollen. Der Gesetzgeber wollte die Habilitation entwerten, damit sie ihre bisherige Funktion verliert. Der Qualifikationsweg über die Habilitation ist auch nicht als
Ausnahme von der Regel vorgesehen. Der Entscheidungsspielraum der Länder ist weiter dadurch eingeschränkt, dass die Befähigung des wissenschaftlichen Nachwuchses nur noch
innerhalb eines bestimmten Verfahrens und durch eine bestimmte Behörde zu überprüfen ist. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige Vollregelung nach Art. 75
Abs. 2 GG liegen nicht vor. Der Bund hat nicht hinreichend dargelegt, dass die Einführung der Juniorprofessur unter gleichzeitiger faktischer Abschaffung der Habilitation
nach verständiger Betrachtung unentbehrlich und der einzig mögliche Weg ist, um die angestrebte Senkung des Erstberufungsalters der Professoren und die Verringerung
persönlicher sowie fachlicher Abhängigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses zu erreichen. Zudem sind die Regelungen über die Juniorprofessur nicht erforderlich (Art. 72
Abs. 2 GG) zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechtseinheit. Dies wäre nur dann der Fall, wenn gerade durch unterschiedliches Recht in
den Ländern eine Gefahrenlage entstünde. Dem ist aber nicht so. Die Voraussetzungen für eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der
Wirtschaftseinheit sind ebenfalls nicht gegeben. Der Begründung des Bundesgesetzgebers zu den zentralen Regelungen des Änderungsgesetzes zur Personalstruktur der
Hochschulen und über den Weg zur Professur ist nicht zu entnehmen, dass sich mögliche Mängel bei der Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses
ausschließlich durch die bundesweite Einführung der Juniorprofessur beheben lassen und die Wirtschaftseinheit nur auf diese Weise gewahrt werden kann. Vielmehr lassen
sich nach Auffassung der zur mündlichen Verhandlung geladenen Sachverständigen die Reformziele ohne bundeseinheitliche Regelung verwirklichen. Der Bund ist auch nicht nach
Art. 125 a GG zu einer grundlegenden Umgestaltung der Personalstruktur an Hochschulen befugt. 3. Infolge der Überschreitung der Rahmenkompetenz des Bundes ist das
Fünfte Änderungsgesetz insgesamt nichtig. Die Veränderung der Personalstruktur prägt die Reform des Hochschulwesens und steht mit weiteren Regelungskomplexen des
Gesetzes in engem Zusammenhang. Mit den zentralen Vorschriften steht und fällt daher das gesamte Gesetz. Eine Fortgeltung einzelner Vorschriften scheidet angesichts des
einheitlichen gesetzgeberischen Reformkonzepts aus. 4. Der Bund kann unter den Voraussetzungen der Art. 72 und Art. 75 GG seine hochschulpolitischen Reformziele auch mit dem
Mittel der Rahmengesetzgebung verfolgen. Ein Hochschulrahmengesetz könnte ein Leitbild für das deutsche Hochschulwesen vorgeben und insbesondere bestimmen, welche Aufgaben
erfüllt werden sollen und wie sich das deutsche Hochschulwesen im internationalen Wettbewerb positionieren soll. Die Länder müssten über die Aufnahme dieser vom Bund
vorgegebenen Konzepte und Anreize unter Beachtung der grundrechtlichen Bindungen, insbesondere aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit, entscheiden.
Die Richterinnen Osterloh und Lübbe-Wolff sowie der Richter Gerhardt haben der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt. Ihrer Ansicht nach hatte der Bund das Recht
zur Gesetzgebung. Wie die Senatsmehrheit befasst sich das Sondervotum nur mit der Kompetenzfrage und lässt die vom Normenkontrollantrag aufgeworfenen weiteren Fragen offen.
Die Kompetenz des Bundes zur Rahmengesetzgebung wird von der Senatsmehrheit so eng gefasst, dass dem Bund praktisch jede Möglichkeit zu neuer politischer Gestaltung der
betreffenden Gesetzgebungsmaterien genommen ist. Dem kann nicht gefolgt werden. Soweit das Grundgesetz dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht, kommt ihm und nicht den
Ländern politische Ge- staltungsmacht zu. Der Bund kann als Rahmengesetzgeber auch unter Berücksichtigung der neuen Verfassungsentwicklung politische Ziele und
Reformvorstellungen verwirklichen und ist nicht darauf beschränkt, die Rahmengesetzgebung als bloßes Instrument der Koordinierung der politischen Entscheidungen der
Länder einzusetzen. Die Vorschriften über die Juniorprofessur halten sich innerhalb des Kompetenztitels des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG. Regelungen der
Personalstruktur betreffen allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens. Die vom Bund zur Erreichung seiner legitimen Ziele gewählte ?dienstrechtliche Lösung? stellt, nicht
anders als die ältere Entscheidung für die Habilitation, eine zulässige (politische) Konzeptentscheidung dar. Als solche kann sie kompetenzrechtlich nicht unter Hinweis
auf andere Regelungskonzepte in Frage gestellt werden, die den Ländern mehr Raum für eigene Gestaltung lassen. Die vergleichsweise hohe Regelungsdichte ist erforderlich,
um den neu geschaffenen Status eines ?Professors auf Bewährung?festzulegen und seine Bedeutung im Verhältnis zum bisherigen Qualifikationssystem zu definieren. Die
Kriterien für die Kompetenzabgrenzung zwischen Bundesgesetzgeber und Landesgesetzgeber nach Art. 72 Abs. 2 GG betreffen entgegen der Ansicht der Senatsmehrheit nicht die
Frage wie, sondern allein ob eine Materie vom Bund geregelt werden darf. Maßgeblich ist daher nicht, ob es aus Gründen der Bundeseinheitlichkeit erforderlich ist, die
Habilitation durch die Juniorprofessur zu ersetzen oder zu verdrängen, es kommt vielmehr nur darauf an, ob eine bundeseinheitliche Regelung der Zugangsvoraussetzungen zum
Amt des Professors erforderlich ist. Dies ist der Fall, weil sonst erhebliche Nachteile für die Berufssituation der Hochschullehrer und die Funktionsfähigkeit der
Hochschule entstünden. Das Sondervotum sieht in den Vorschriften über die Juniorprofessur auch keinen Verstoß gegen Art. 75 Abs. 2 GG. Ob ein Ausnahmefallim Sinne
dieser Vorschrift vorliegt, ist in quantitativer Hinsicht grundsätzlich nach dem Gesetz zu bestimmen, das die der Rahmengesetzgebung zugängliche Materie umfassend ordnet,
hier im Hochschulrahmengesetz, und nicht nach einem Änderungsgesetz, wie die Senatsmehrheit annimmt. Die von der Senatsmehrheit in qualitativer Hinsicht aufgestellte
Forderung, Regelungen der in Art. 75 Abs. 2 GG genannten Art müssen ?schlechthin unerlässlich? sein, findet weder im Verfassungstext noch in der Geschichte der
Verfassungsänderung 1994 eine Stütze. Vielmehr genügt in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung ein besonders starkes und legitimes Interesse an in Einzelheiten
gehenden oder unmittelbar geltenden Regelungen. Ein solches Interesse liegt hier vor.
Urteil vom 27. Juli 2004 ? 2 BvF 2/02 ?
Karlsruhe, den 27. Juli 2004