BVerfG: Ermittlung von Mobilfunkdaten durch IMSI-Catcher verstößt nicht gegen Grundrechte

Hintergrund:

Mobiltelefone, die in empfangsbereitem Zustand mitgeführt werden, melden sich in kurzen Abständen
bei der für sie gerade „zuständigen„ Basisstation des Mobilfunknetzes an. Das gesamte
Mobilfunknetz ist entsprechend einem Raster in einzelne Zellen aufgeteilt. Zum Empfang eingehender
Anrufe oder Kurzmitteilungen ist die genaue Lokalisierung des Standortes des Mobiltelefons
durch den Mobilfunknetzbetreiber nötig. Im Rahmen dieser ständigen Positionsangabe werden
unter anderem die Kartennummer (IMSI) und die Gerätenummer (IMEI) des Mobiltelefons
an die Basisstation gesendet. Dieses Prinzip nutzt der „IMSI-Catcher„, indem er innerhalb einer
Funkzelle eine Basisstation des Mobilfunknetzes simuliert. Sämtliche eingeschalteten Mobiltelefone,
die sich im Einzugsbereich des „IMSI-Catchers„ befinden, senden nunmehr ihre Daten an
diesen. Auf diese Weise ist es möglich, Karten- und Gerätenummer sowie den Standort des Mobiltelefons
zu ermitteln.

Rechtsgrundlage für den Einsatz des „IMSI-Catchers„ im Strafverfahren ist § 100 i Strafprozessordnung.
Nach Absatz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift dürfen zur Vorbereitung einer Telekommunikationsüberwachung
die Geräte- und Kartennummer eines aktiv geschalteten Mobiltelefons durch
Einsatz technischer Mittel ermittelt werden. Absatz 1 Nr. 2 der Vorschrift erlaubt die genaue
Standortbestimmung eines Mobiltelefons zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten.
Die Beschwerdeführer – eine Bürgerrechtsorganisation, zwei Rechtsanwälte, ein Pfarrer, ein
Steuerberater sowie eine (zwischenzeitlich verstorbene) Journalistin – sind der Auffassung, dass
die Ermittlung der Geräte- und Kartennummern sowie des Standorts von Mobiltelefonen durch Einsatz eines „IMSI-Catchers„ ein nicht gerechtfertigter Eingriff in ihr Grundrecht aus Art. 10
GG (Fernmeldegeheimnis) sei. Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Die Beschwerdeführer sind nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG verletzt. Die
Datenerhebung nach § 100 i Abs. 1 StPO greift nicht in den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses
ein. Denn sie steht nicht im Zusammenhang mit einem Kommunikationsvorgang
und betrifft auch keinen Kommunikationsinhalt im Sinne des Art. 10 Abs. 1 GG. Die Feststellung
der Geräte- oder Kartennummer eines im Bereich einer simulierten Funkzelle befindlichen
Mobiltelefons durch den Einsatz eines „IMSI-Catchers„ ist unabhängig von einem tatsächlich
stattfindenden oder zumindest versuchten Kommunikationsvorgang zwischen Menschen.
Beim Einsatz des „IMSI-Catchers„ „kommunizieren„ ausschließlich technische Geräte
miteinander. Es fehlt an einem menschlich veranlassten Informationsaustausch, der sich auf
Kommunikationsinhalte bezieht. Das Aussenden der Daten erfolgt unabhängig von einem
konkreten Kommunikationsvorgang oder dem Aufbau einer Kommunikationsverbindung, die
einen personalen Bezug hat; der Datenaustausch ist ausschließlich zur Sicherung der Betriebsbereitschaft
nötig, trägt keine individuellen und kommunikativen Züge. Eine technische
Kommunikation zwischen Geräten weist nicht das spezifische Gefahrenpotential auf, vor dem
Art. 10 Abs. 1 GG Schutz gewährleistet.

2. Die Beschwerdeführer werden durch die Erhebung und die kurzzeitige Speicherung der IMSI-
und IMEI-Kennung ihrer Mobiltelefone als unbeteiligte Dritte auch nicht unverhältnismäßig
in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Dabei ist einerseits zu
berücksichtigen, dass auch die technischen Kommunikationsdaten einen schutzwürdigen
Aus-sagegehalt haben, weil sie – wenn auch nur nach vorausgegangener Identifizierung der
Person über eine Zuordnung der IMSI- oder IMEI-Nummer – einen Schluss darauf zulassen,
welche Person sich im Bereich der virtuellen Funkzelle aufhält und ein betriebsbereites Mobiltelefon
mit sich führt. Andererseits ist in Rechnung zu stellen, dass die vermehrte Nutzung
elektronischer oder digitaler Kommunikationsmittel und deren Vordringen in nahezu alle Lebensbereiche
die Strafverfolgung erschwert hat.

Bei der Durchführung von Maßnahmen nach § 100 i StPO haben die Ermittlungsbehörden
darauf Bedacht zu nehmen, dass die Grundrechtspositionen der unbeteiligten Dritten nicht
über das unbedingt notwendige Maß hinaus berührt werden. Anhaltspunkte für eine Missachtung
dieses Gebots liegen nicht vor. Die technischen Kommunikationsdaten werden automatisch
und anonym abgeglichen und unverzüglich gelöscht. Nach Auskunft des Bundeskriminalamtes
werden unbeteiligte Dritte nicht identifiziert. Die Speicherung ihrer Daten erfolgt
maximal für die Dauer des Messeinsatzes. Danach werden die Daten von der Festplatte des
Messsystems ohne weitere Bearbeitung und Prüfung unverzüglich und unwiderruflich gelöscht.
Angesichts der geringen Eingriffsintensität ist es auch nicht unverhältnismäßig, auf
die Benachrichtigung mitbetroffener Dritter zu verzichten.

3. Auch ein Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit
ist nicht ersichtlich. Laufende Gespräche oder anderweitige Kommunikationsverbindungen
werden wegen der Funktionsweise des „IMSI-Catchers„ nicht gestört. Soweit durch den Einsatz
des „IMSI-Catchers„ beim Erfassen der IMSI- oder IMEI-Nummer für einige Sekunden
die Herstellung einer Telekommunikationsverbindung für ein einzelnes Mobiltelefon nicht
möglich ist, geht dieser Eingriff nicht über das Maß an Empfangs- und Sendestörungen hinaus,
die im Mobilfunkbetrieb alltäglich auftreten.

4. Das Bundesministerium der Justiz arbeitet seit längerem an einer Gesamtregelung der strafprozessualen
heimlichen Ermittlungsmaßnahmen, die die Vorschriften zur Telekommunikationsüberwachung
und somit auch § 100 i StPO umfassen. Bei der Umsetzung dieser Vorschläge
wird der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen wegen des schnellen und für
den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels aufmerksam beobachten
und gegebenenfalls durch Rechtssetzung korrigierend eingreifen müssen. Dabei wird zu prüfen
sein, ob verfahrensrechtliche Vorkehrungen – wie etwa Benachrichtigungspflichten oder
Rechtsschutzmöglichkeiten – zu erweitern sind, um den Grundrechtsschutz effektiv zu gewährleisten.