BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Auslieferung an die USA

Der Beschwerdeführer (Bf), ein US-amerikanischer Staatsangehöriger, wurde aufgrund eines in Kalifornien
ausgestellten Haftbefehls in Deutschland festgenommen. Darin wird ihm unter anderem „schwerer
Mord„ zur Last gelegt. Dem Bf droht in den Vereinigten Staaten eine Verurteilung zu lebenslanger Haft
ohne Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung. Das Oberlandesgericht erklärte die von den
Vereinigten Staaten beantragte Auslieferung des Bf für zulässig. Mit seiner hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerde
rügte der Bf unter anderem, dass eine Auslieferung bei drohender Verhängung einer
lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung verfassungswidrig
sei. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts wies die Verfassungsbeschwerde des Bf zurück.
Es bestehe kein Anlass, die Auslieferung zu verweigern, wenn aufgrund einer behördlichen, in das
Rechtssystem des ersuchenden Staates eingebetteten Gnadenpraxis eine Chance des Verurteilten auf
Wiedererlangung der Freiheit besteht.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Auslieferung bei drohender Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer
Strafaussetzung zur Bewährung verstößt nicht gegen unabdingbare Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen
Ordnung. Dies gilt auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zur lebenslangen Freiheitsstrafe. Danach gehört es zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen
Strafvollzugs, dass dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt,
seine Freiheit wiederzuerlangen. Um diese Aussicht abzusichern, gebietet das Rechtsstaatsprinzip
für die Strafvollstreckung in Deutschland eine Entlassungspraxis, die gerichtlicher Kontrolle offen steht.
Verfahrensrechtliche Einzelheiten, mit denen die praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit in
Deutschland verstärkt und gesichert wird, gehören aber nicht zu den unabdingbaren Grundsätzen der
deutschen Verfassungsordnung, die im Auslieferungsverkehr auch vom ersuchenden Staat erfüllt werden müssen. Hier kommt es nur darauf an, dass in einem anderen Rechtssystem jedenfalls eine praktische
Chance auf Wiedererlangung der Freiheit besteht.

Eine solche praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit hat das OLG bejaht, ohne dass der Bf
hiergegen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken aufzuzeigen vermocht hätte. Für den Bf besteht
gemäß Section 4801 Penal Code die Möglichkeit, dass das „ Board of Prison Terms„ ihn im Laufe
der Zeit, etwa wegen guter Führung, für eine Begnadigung oder eine Strafumwandlung vorschlagen wird,
wobei die letztendliche Entscheidung über einen solchen Vorschlag beim Gouverneur liegt.
Der Zulässigkeit der Auslieferung steht nicht entgegen, dass in Kalifornien die Begnadigung oder die
Umwandlung der Strafe nicht in einem justizförmigen Verfahren geprüft werden. Das Gebot, fremde
Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten, schließt es aus, die Erforderlichkeit einer
gerichtlichen Entscheidung zum unverzichtbaren Bestand der deutschen öffentlichen Ordnung im Auslieferungsverkehr
zu rechnen. Kann sich die Hoffnung des Verurteilten, seine Freiheit wiederzuerlangen,
auf eine behördliche, in das Rechtssystem eingebettete Gnadenpraxis stützen, besteht kein Anlass, die
Auslieferung deshalb zu verweigern, weil es an der nach deutschem Verfassungsrecht gebotenen Justizförmigkeit
fehlt.

Beschluss vom 6. Juli 2005 – 2 BvR 2259/04 –

Karlsruhe, den 15. Juli 2005