BVerfG: Beschäftigung eines Strafgefangenen bei einem in der Anstalt tätigen privaten Unternehmen

Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener in einer
Justizvollzugsanstalt. Im Juni 2003 löste die Anstalt ihn aufgrund
eines Diebstahlsverdachts von der bis dahin von ihm wahrgenommenen
Nebentätigkeit als Einkaufshelfer bei einem privaten Unternehmen ab,
das in der Anstalt die Einkaufsstelle für Gefangene betreibt. Nachdem
der Beschwerdeführer von dem Diebstahlsvorwurf freigesprochen worden
war, wurde die Ablösungsverfügung aufgehoben. Den Antrag des
Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in seine Tätigkeit als
Einkaufshelfer lehnte die Vollzugsanstalt mit der Begründung ab, das
betreffende Privatunternehmen wolle ihn nicht wieder beschäftigen und
die Anstalt könne ihm daher die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit nicht
ermöglichen. Auch das angerufene Landgericht wies den Antrag zurück, da
die unternehmerische Entscheidung, den Beschwerdeführer nicht wieder zu
beschäftigen, zu respektieren sei. Entscheidungsprozesse des privaten
Unternehmens könnten nicht Gegenstand einer Gefangenenbeschwerde sein.
Die Justizvollzugsanstalt sei zwar zur Beseitigung der Folgen der
gerichtlich aufgehobenen Ablösungsverfügung verpflichtet. Sie müsse dem
Privatunternehmen jedoch die Wiederbeschäftigung des Beschwerdeführers
lediglich antragen, was hier geschehen sei.

Der Beschwerdeführer hatte demgegenüber unter Benennung von Zeugen
vorgetragen, der zuständige Vertreter des Unternehmens habe sich ihm
gegenüber über die Behauptung der Anstalt, er sei zu einer
Weiterbeschäftigung nicht bereit, überrascht geäußert und erklärt, von
ihm aus könne der Gefangene jederzeit wieder anfangen.
Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die 2. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die angegriffenen
Entscheidungen auf.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Werden Gefangene bei privaten Unternehmen beschäftigt, so darf die
Zuordnung von Entscheidungsbefugnissen und Verantwortung von
Verfassungs wegen nicht so beschaffen sein, dass Gefangene für
Ansprüche, die ihr Arbeitsverhältnis betreffen, keinen handlungs- und
verantwortungsfähigen Adressaten mehr vorfinden. Grundrechtserhebliche
Belange, für die der Gefangene rechtlichen Schutz erwarten darf, müssen
entweder, wie im Fall des freien Beschäftigungsverhältnisses, durch
privatrechtliche Ansprüche gegenüber dem Unternehmer, oder durch
öffentlichrechtliche Verantwortlichkeiten der Anstalt geschützt sein.
Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend die Regelungen des
Strafvollzugsgesetzes zur Gefangenenarbeit gerade und nur im Hinblick
darauf als verfassungskonform angesehen, dass für die
Beschäftigungsverhältnisse der Gefangenen, soweit sie nicht dem Schutz
des Arbeitsrechts unterstehen, eine öffentlich-rechtliche
Verantwortlichkeit der Anstalt besteht.

Sowohl die Justizvollzugsanstalt als auch das Landgericht haben die
grundrechtlichen Anforderungen an den Umgang mit dem Begehren des
Beschwerdeführers verkannt. Mit der Frage, wie die vom Beschwerdeführer
ausgeübte Einkaufshelfertätigkeit in das Regelwerk des
Strafvollzugsgesetzes zur Gefangenenarbeit rechtlich einzuordnen ist,
haben sie sich nicht auseinandergesetzt. Sie haben hinsichtlich der
Entscheidung über die Wiederbeschäftigung des Beschwerdeführers jede
über eine bloße Anregung an das Betreiberunternehmen hinausgehende
Verantwortlichkeit der Anstalt verneint. Zugleich bestanden keine
Anhaltspunkte dafür, dass anstelle der verneinten Verantwortlichkeit
der Anstalt eine privatrechtliche Verantwortlichkeit des
Betreiberunternehmens gegenüber dem Beschwerdeführer bestanden hätte;
jedenfalls hat weder die Anstalt noch das Landgericht den
Beschwerdeführer hierauf verwiesen oder die Rechtslage insoweit
geprüft. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Gefangener bei einem
privaten Unternehmer Arbeit in einem rechtsfreien Raum leistet, in dem
grundrechterhebliche Belange, für die er rechtlichen Schutz erwarten
darf, weder durch privatrechtliche Ansprüche gegenüber dem Unternehmer
noch durch öffentlichrechtliche Verantwortlichkeiten der Anstalt
geschützt sind.

Das Landgericht hat zudem seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung
verletzt. Es hat entschieden, ohne in ausreichender Weise dem Hinweis
des Beschwerdeführers auf eine ihm gegenüber bekundete
Weiterbeschäftigungsbereitschaft des Unternehmens und der damit
aufgeworfenen Frage nachzugehen, ob die später erklärte ablehnende
Haltung auf einer von der Anstalt unbeeinflussten Willensbildung
beruhte.