BVerfG: Behördliches Auskunftsverlangen über Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verfassungsr. nicht zu beanstanden

Das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene Staatsangehörigkeitsgesetz sieht in § 25 vor, dass ein Deutscher
seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verliert, wenn
dieser Erwerb auf seinen Antrag hin erfolgt. Nach der Vorläuferfassung der Vorschrift war dies nur für
den Fall vorgesehen, dass der Betroffene weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt
im Inland hatte.

Der Beschwerdeführer wurde im Dezember 2000 in den deutschen Staatsverband eingebürgert; seine
türkische Staatsangehörigkeit gab er im Zusammenhang damit auf. Zur Klärung eines etwaigen Verlusts
der deutschen Staatsangehörigkeit durch Wiedererwerb der früheren Staatsangehörigkeit schrieben Anfang
des Jahres 2005 die bayerischen Meldebehörden die nach dem 1. Januar 1998 eingebürgerten
ehemaligen türkischen Staatsangehörigen, darunter den Beschwerdeführer, an und baten diese um Erklärung,
ob sie die türkische Staatsangehörigkeit nach dem 31. Dezember 1999 wieder erhalten hätten oder
nicht. Mehr als 42.000 Personen im Freistaat Bayern beantworteten die Anfrage, davon 14 Prozent mit
der Erklärung, sie hätten die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben. Da der Beschwerdeführer
keine Erklärung abgab, forderte die Behörde ihn unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit und
Androhung eines Zwangsgeldes zur Abgabe der Erklärung auf. Seinen Antrag auf Eilrechtsschutz lehnten
die Verwaltungsgerichte ab. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb vor der 2. Kammer
des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts ohne Erfolg.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung liegt nicht vor. Der Einwand des Beschwerdeführers,
eine negative Antwort sei nicht zur ordnungsgemäßen Führung des Melderegisters
erforderlich, da die staatsangehörigkeitsbezogenen Eintragungen in diesem Fall weiterhin zuträfen, geht
fehl. Denn nur durch die Verpflichtung auch zur Fehlanzeige werden die Behörden in die Lage versetzt,
die Personen, die nach ihrer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband die türkische Staatsangehörigkeit
nicht wiedererworben haben, von denjenigen zu unterscheiden, die – aus welchen Gründen auch
immer – trotz Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit eine Erklärung nicht abgegeben haben.
Die Rüge, der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 3 GG sei verletzt, weil derartige Auskunftsverlangen nur
an eingebürgerte deutsche Staatsbürger türkischer Herkunft gerichtet worden seien, greift ebenfalls nicht
durch. Vor dem Hintergrund beschränkter Verwaltungskapazitäten und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
ist es nicht zu beanstanden, dass die Behörden ihre Anfragen auf eine Gruppe beschränkt
haben, von der aus der Presse und aus Angaben türkischer Stellen bekannt war, dass eine beachtliche
Anzahl der Gruppenangehörigen nach ihrer Einbürgerung auf Antrag ihre frühere Staatsangehörigkeit
wieder angenommen hatte. Das bisherige Ergebnis der Befragungen bestätigt die Richtigkeit dieser Annahme.

Nr. 22/2006 vom 23. März 2006

Beschluss vom 10. März 2006

2 BvR 434/06