Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat auf Antrag von 265 Abgeordneten sowie der
Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP den 2. Untersuchungsausschuss verpflichtet, bis zum
Zeitpunkt einer etwaigen Anordnung des Bundespräsidenten, den 15. Deutschen Bundestag aufzulösen,
den Visa-Untersuchungsausschuss fortzuführen (Pressemitteilung Nr. 51/2005 vom 15. Juni 2005).
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu
Grunde:
Die Nachteile, die entstünden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht ergeht, sich die Hauptsache später
aber als begründet erweist, wiegen so schwer, dass der Erlass einer vorläufigen Regelung geboten ist.
Der unerwartete Verlust von Beweismitteln, die aus Sicht der Antragsteller für die Aufklärung des Untersuchungsthemas
von Bedeutung sind, würde dem Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts
zuwiderlaufen und die Rechte der Antragsteller in schwerwiegender Weise verletzen.
Die Antragsteller haben als qualifizierte Minderheit ein grundsätzlich schutzwürdiges Interesse, dass die
Arbeit des Ausschusses so lange fortgeführt wird, bis der Untersuchungsauftrag abgeschlossen ist oder
sich die Anzeichen dafür konkretisieren, dass der Untersuchungsauftrag nicht bis zu einem regulären oder
vorzeitigen Ende der Wahlperiode erledigt werden kann. Dem gegenüber steht das Interesse des Antragsgegners,
dem Deutschen Bundestag rechtzeitig vor Ablauf der Legislaturperiode einen Sachstandsbericht
vorzulegen.
Die Schutzwürdigkeit der Interessen des Antragsgegners ist derzeit nur als gering zu veranschlagen.
Nachteile für die Antragsgegner können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur entstehen, wenn die Wahlperiode
des 15. Deutschen Bundestages vorzeitig enden sollte. Die Entscheidung über eine vorzeitige Beendigung
hängt indes, da das deutsche Verfassungsrecht ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages nicht
kennt, von Faktoren ab, deren Eintreten gegenwärtig nicht prognostiziert werden kann. Aber auch wenn
man schon jetzt annähme, dass der Deutsche Bundestag aufgelöst wird und eine Neuwahl in der zweiten
Septemberhälfte oder später stattfindet, wäre angesichts dessen, dass die parlamentarische Sommerpause am 5. September 2005 endet, immer noch Zeit, den Sachstand oder gar den Abschlussbericht dem
Plenum vorzulegen. Zwingende oder jedenfalls gewichtige Gründe, sofort und ohne Übergang noch im
Juni des Jahres die in der Sache unstreitige Beweisaufnahme abzubrechen, sind nicht ersichtlich.
Beschluss vom 15. Juni 2005 – 2 BvQ 18/05 –
Karlsruhe, den 1. Juli 2005