Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde (Vb) eines peruanischen Staatsangehörigen, der
sich gegen seine Auslieferung nach Peru zum Zwecke der Verfolgung von
Regierungskriminalität wehrt, nicht zur Entscheidung angenommen.
1. Zum Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (Bf) ist peruanischer Staatsangehöriger und hält
sich seit März 2001 mit seiner deutschen Ehefrau in Deutschland auf. Der
Bf wurde am 5. Juli 2002 auf Grund eines Auslieferungsersuchens
peruanischer Behörden festgenommen. Ihm wird zur Last gelegt, von Mitte
1995 bis zum Rücktritt des ehemaligen peruanischen Präsidenten Fujimori
im November 2000 Mitglied in einer kriminellen Vereinigung gewesen zu
sein. Diese Vereinigung setzte sich aus den wichtigsten Lieferanten der
peruanischen Streitkräfte zusammen und soll anlässlich von
Beschaffungskäufen für Polizei und Streitkräfte Bestechungsgelder zum
Nachteil der Staatskasse bezogen haben. Das Oberlandesgericht (OLG)
München erklärte die Auslieferung für zulässig. Sie widerspreche weder
den Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung im Sinne des Gesetzes über
die internationale Rechthilfe in Strafsachen (IRG), noch bestünden
begründete Anhaltspunkte für die Gefahr menschenrechtswidriger
Behandlung des Bf in Peru. Hiergegen richtet sich die Vb. Der Bf rügt
die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art.
2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 6 GG und Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG.
2. Die Kammer hat im Wesentlichen ausgeführt:
Art. 6 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass ein Ausländer als Folge der
Verletzung von Strafnormen außerhalb des Bundesgebietes zur
Verantwortung gezogen wird. Hinter diesem Grundsatz steht eine Abwägung
des Anspruchs auf Ehe- und Familienleben mit dem staatlichen
Strafverfolgungsinteresse bei den schweren Straftaten, die allein
Gegenstand eines Auslieferungsverfahrens sind, und für deren
Durchsetzung die Bundesrepublik Deutschland auf die Zusammenarbeit mit
anderen Staaten angewiesen ist. Gerade aus diesem Grund unterstützt
Deutschland das Strafverfolgungsinteresse anderer Staaten, um
seinerseits in einem entsprechenden Fall Unterstützung zu erhalten. Die
internationale Offenheit des vom Grundgesetz verfassten Staates sowie
sein Interesse an der Durchsetzung des eigenen Strafanspruchs im Ausland
überwiegen angesichts der typischerweise schwerwiegenden
„auslieferungsfähigen„ Straftaten – im vorliegenden Fall geht es um die
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – regelmäßig die
Schutzwirkung des Art. 6 GG.
Auch das Vorbringen des Bf, ihm drohe als strafverdächtiger Person in
Peru Folter und Misshandlung, hat keinen Erfolg. Das OLG verlangt
insoweit, dass begründete Anhaltspunkte für eine solche Gefahr vorliegen
müssen, und hat zur Vorbereitung seiner Entscheidung Informationen über
die Menschenrechtslage in Peru eingeholt. Sowohl der Bericht von Amnesty
International als auch die beiden Lageberichte des Auswärtigen Amtes
stützen die Ansicht, dass die Situation in Peru der Zulässigkeit der
Auslieferung nicht entgegensteht. Dieser Annahme ist der Bf nicht mit
überzeugenden Gründen entgegengetreten.
Im Hinblick auf die Rüge menschenunwürdiger Haftbedingungen in Peru
durfte das OLG auf die Zusicherung der peruanischen Behörden abstellen,
wonach eine Strafe nicht aus politischen, militärischen oder religiösen
Gründen verhängt oder verschärft wird und der Bf nach der Überstellung
in einer Haftanstalt untergebracht wird, die dem Minimalstandard der
Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen entspricht. Dabei
stützt sich das OLG maßgeblich auf die vom Auswärtigen Amt eingeholten
Informationen über die konkrete Situation in einzelnen peruanischen
Justizvollzugsanstalten. Die Erfahrungsberichte des deutschen
Botschaftspersonals in Lima tragen die Einschätzung des OLG, dass dem Bf
in keiner der beiden in Frage kommenden Haftanstalten eine
menschenunwürdige Haft droht. In dem speziellen Fall des Bf liegen keine
Besonderheiten vor, die die Besorgnis einer menschenunwürdigen
Behandlung in der Haft begründen. Die Eigenschaft als Freund des
ehemaligen Präsidenten Fujimori und Beteiligter an einem
Korruptionskartell führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist bislang
nicht ersichtlich, dass wegen Regierungskriminalität beschuldigte
Personen in Peru gerade aus diesem Grund schlechter behandelt werden als
andere einer Straftat Beschuldigte.
Beschluss vom 1. Dezember 2003 – 2 BvR 879/03 –
Karlsruhe, den 18. Dezember 2003