Der Kläger wirft dem Freistaat Sachsen (Beklagten zu 2) als Träger der Justizvollzugsanstalt vor, die dortigen Bediensteten hätten die zu seinem Schutz bestehenden Amtspflichten verletzt, Untersuchungs- und Strafgefangene voneinander zu trennen und den Beklagten zu 1 hinreichend zu überwachen. Deswegen sei der Freistaat Sachsen neben dem Beklagten zu 1 für den Überfall und die Verletzungen mitverantwortlich.
Das Berufungsgericht hat den Freistaat Sachsen im wesentlichen antragsgemäß zu Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeld verurteilt (OLG Dresden VersR 2003, 1041). Es hat den Amtsträgern des Beklagten zu 2 eine Verletzung des Gebotes angelastet, den Untersuchungsgefangenen nicht mit anderen Gefangenen in demselben Raum unterzubringen und ihn auch sonst von Strafgefangenen, soweit möglich, getrennt zu halten. Die Justizvollzugsbediensteten hätten es nicht verhindert, daß der Beklagte zu 1 in die Untersuchungshaftabteilung habe eindringen und den Kläger in dessen Haftraum aufsuchen können. Die fahrlässige Amtspflichtverletzung hat das Berufungsgericht darin erblickt, daß die senkrechten Metallstäbe im Treppenbereich zwischen Straf- und Untersuchungshaftabteilung nicht durch einfache bauliche Maßnahmen wie zusätzliche Querverstrebungen gegen die Möglichkeit des Herausbrechens gesichert worden seien.
Der III. Zivilsenat hat den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts geteilt, daß die Vollzugsbediensteten Amtspflichten zum Schutze des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Untersuchungs- und Strafgefangenen haben. Diese Amtspflicht umfaßt auch die Verhütung von drohenden Schädigungen des Häftlings durch Mitgefangene. Nicht zu folgen vermochte der III. Zivilsenat dem Berufungsgericht jedoch insoweit, als es dem Trennungsgebot des § 119 Abs. 1 StPO i.V.m. Nr. 22 UVollzO den unmittelbaren Schutzzweck beigemessen hat, die körperliche Unversehrtheit des Untersuchungsgefangenen gegen Bedrohungen durch Strafgefangene zu sichern. Es ist anerkannt, daß das Trennungsgebot ein aus der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK, die Verfassungsrang hat, hergeleitetes Privileg des Untersuchungsgefangenen ist. Die Trennung von Strafgefangenen ist dementsprechend eine Grundforderung, die sich aus der Notwendigkeit ergibt, den Charakter der Untersuchungshaft als einer prozessualen Sicherungsmaßnahme gegen den als unschuldig Geltenden von der Vollstreckung der Strafe an einem Schuldigen eindeutig abzugrenzen. Eine darüber hinausgehende Zielrichtung, die Gruppe der Untersuchungshäftlinge speziell vor Übergriffen aus der Gruppe der Strafgefangenen zu schützen, läßt sich dem Trennungsgebot hingegen nicht entnehmen. Die allgemeine Amtspflicht zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit besteht unterschiedslos zugunsten der Untersuchungs- und der Strafgefangenen. Die Persönlichkeit des Beklagten zu 1 und dessen Verhalten während der bisherigen Haftverbüßung hatten den Amtsträgern des Beklagten zu 2 keinen Anlaß für besondere Sicherungsmaßnahmen geboten. Vor diesem Hintergrund ließ sich eine Haftung des Beklagten zu 2 auch nicht aus dem Umstand herleiten, daß die Anstaltsbediensteten die – das Trennungsgebot als solches nicht in Frage stellende – Überwindbarkeit der Sicherungsmaßnahmen zwischen den beiden Abteilungen hätten erkennen können. Auch der Umstand, daß sich der Beklagte zu 1 im Besitz des Tatwerkzeugs, nämlich des angespitzten Schraubenziehers, befunden hatte, ließ keinen Rückschluß auf ein Überwachungsverschulden der Amtsträger der Justizvollzugsanstalt zu. Es wird sich selbst bei sorgfältiger Kontrolle nicht ausschließen lassen, daß derartige Gegenstände in den Besitz eines Strafgefangenen gelangen können.
Der Bundesgerichtshof hat daher auf die in Anwendung neuen Rechtsmittelrechts durch das Berufungsgericht zugelassene Revision des Freistaats Sachsen die Klage, soweit sie gegen diesen gerichtet war, abgewiesen.
Urteil vom 23. Oktober 2003 – III ZR 354/02 Karlsruhe, den 23. Oktober 2003